Werke von Tomaso Antonio Vitali, Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und anderen

Sonorous

Music for solo strings performed on two horns, Saar Berger/Rune Brodahl (Horn)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Gebr. Alexander 1782
erschienen in: das Orchester 12/2018 , Seite 76

Duos für zwei Hörner stehen nicht besonders weit oben auf der Beliebtheitsskala für Aufnahmen mit Blechblasinstrumenten. Dabei fehlt es nicht an Repertoire für diese Kammermusik in Kleinstbesetzung. Allein: Es handelt sich oft entweder um harmlose originale Spielstücke oder um halbherzige Bearbeitungen. Alle Hornisten spielen gerne Duos – doch selten öffentlich. Umso bemerkenswerter ist, dass Rune Brodahl und Saar Berger sich auf dieser CD an höchste Gipfel der Musikliteratur wagen: überwiegend barocke Werke, die im Original für ein Streichinstrument geschrieben sind.
Beide bringen dafür beste Voraussetzungen mit. Sie sind nicht nur hervorragende Hornisten, sondern musizieren gerne abseits der ausgetretenen Pfade. Brodahl ist immerhin ganz klassisch Solohornist der norwegischen Nationaloper, spielt ansonsten aber in unterschiedlichsten Kammermusikgruppen. Saar Berger ist seines Zeichens Solo­hornist des Ensemble Modern. Er hat viele Uraufführungen neuer Musik gespielt, experimentiert mit neuen Spieltechniken, Klangeffekten und improvisiert gern.
Brodahl und Berger haben den spanischen Komponisten und Geiger Diego Ramos Rodríguez für bemerkenswerte Bearbeitungen von Werken für Solovioline (Bach, Telemann, Biber), Viola (Vieuxtemps), für Violine und Generalbass (Vitali) sowie für Cembalo (Bach) gewonnen. Vermutlich hat sich noch nie jemand so viele Gedanken über die angemessene Transkription von Streicherliteratur für Horn gemacht wie Ramos Rodríguez. Ausgangspunkt ist bei ihm der Gedanke, dass jede Interpretation eines Notentexts schon eine Bearbeitung ist und es gerade bei Kompositionen wie Bachs Sonaten und Partiten für Solovioline eine unzerstörbare Grundidee gibt, die es herauszuschälen gilt, egal mit welchem Instrument. Es geht also nicht darum, sich in Konkurrenz zum Original zu begeben, sondern im Idealfall einen neuen Blick auf ein Stück zu gewinnen.
Um den Kompositionen gerecht zu werden, hat Diego Ramos Rodríguez mit ausgefeilter Technik die in eine Solostimme eingebaute Polyfonie, die Harmonien und Arpeggien dergestalt auf zwei Hörner verteilt, dass es nicht selten klingt, als würden drei spielen. Um den großen Tonumfang etwa einer Geige darstellen zu können, müssen Berger und Brodahl nicht nur in eisige Höhen hinauf, sie haben lange Passagen auch in tiefster Lage zu bewältigen. Von technischer Flexibilität ganz zu schweigen. Immer muss ihr Ton dabei ausgeglichen klingen.
Das Ergebnis ist verblüffend und überzeugend. Nur in seltenen Fällen merkt man, dass manche Violin-Volten mit dem Horn eigentlich gar nicht darstellbar sind. Man muss sich, gerade wenn man das Original im Ohr hat, in jedes Stück einhören. Und gewinnt dann mit jedem Takt mehr Gefallen daran.
Kleiner Wermutstropfen: Das lesenswerte Booklet hat nur einen englischen Text. Umso verwunderlicher, als die CD von der großen Mainzer Hornmanufaktur Gebr. Alexander mit herausgegeben wurde.
Johannes Killyen