Schindler, Peter

Sonne, Mond und Sterne

Szenische Kantate in zwei Akten, Partitur/Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart 2012
erschienen in: das Orchester 11/2012 , Seite 78

Mit seinem neuen Werk nimmt uns der Komponist mit auf eine abendfüllende lyrische Zeitreise. Nicht weniger als 22 Dichter vom Spätmittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert sind hier versammelt, dazu kommen Texte aus dem Alten Testament, der Rastatter Liederhandschrift von 1769 sowie aus der Sammlung Des Knaben Wunderhorn. Die Themen kreisen um Zeit und Ewigkeit, um Liebe, Glück und Entsagung – ein sehr weites Feld. Vorzutragen ist das Werk von Sopran, Bariton und einem
gemischten Chor. Begleitet werden sie von Streichern, einfach besetzten Holzbläsern, zwei Hörnern, Posaune und Pauken, dazu Klavier, Bass und Drumset. Eine Alternativfassung nur mit den letzten Dreien ist auch verfügbar.
Einige vom Komponisten der Partitur vorangestellte Binsenweisheiten zur Interpretation lassen es ahnen: Das Werk ist vorzugsweise zur Aufführung durch Laien bestimmt. Ein Blick auf die ersten Notenseiten bestätigt diese Vermutung. Schlichte Melodik breitet sich in ausladenden Unisonokoppelungen aus, eine schematisch fortschreitende Basslinie und eine wenig veränderliche Begleitfigur der oberen Streicher bestätigen die ohnehin klaren tonalen Verhältnisse. Die Wiederholungen von Viertaktgruppen, ihre einfachsten Mustern folgende Anordnung und die insistierende Exekution eines einzigen rhythmischen Grundmusters machen das Geschehen sehr einprägsam. So gewinnt der Hörer in den ersten 19 Takten einen Vorgeschmack der Ewigkeit, von der im Text die Rede ist – bezeichnenderweise kehrt dieser Teil am Schluss des gesamten Werks wieder. Ein kurzer Abschnitt im “Free Gregorian Style” kontrastiert in Tempo, Dynamik und Besetzung, verzichtet aber gleichfalls auf konstruktive Elemente.
Das zweite Lied bringt Synkopen ins Spiel, die in ihrer Gleichförmigkeit eher ermüdend als belebend wirken. Der “Bauplan” ist dem ersten Lied ähnlich, der Mittelteil wechselt hier in die Mollvariante. Der erwähnte “Ewigkeitsblock” beschließt auch dieses Lied. Ein kleiner Druckfehler in der Flötenstimme des dritten Lieds lässt für einen kurzen Moment aufhorchen. Das Lied Fröhlich, zärtlich verwendet nicht die originale Melodie des Oswald von Wolkenstein, sondern eine frei erfundene Linie im “Free Gregorian Style”. Die Sternseherin Lise macht Anleihen bei Kurt Weill. Die Nummern 26 und 30 Die schöne Nachbarin und Der Mond erinnern in ihrer Schlichtheit an Liedertafelgesänge. Das vorletzte (39.!) Lied überrascht mit seiner neobarocken Polyfonie, mit der der Komponist weit weniger schematisch verfährt, als zu erwarten gewesen wäre.
Die Instrumentation ist so robust gewählt, dass einer Aufführung kein Schaden entsteht, wenn einzelne Musiker fehlen oder den Anschluss verlieren. Anklänge an Pop und domestizierte Jazzmusik sollen einen weiten, ansatzweise kulturbeflissenen Hörerkreis ansprechen. Ob den hochkarätigen Texten – darunter Eichendorffs Mondnacht – damit Genüge getan ist, erscheint eher zweifelhaft.
Jürgen Hinz

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