Weinhart, Christoph

Songs from the Wood

für vier Paar Claves, zwei Spielpartituren

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2010
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 73

Am Anfang klatschte die Menschheit in die Hände, später schlug sie Holzstäbe gegeneinander. So muss man sich wohl – radikal vereinfacht dargestellt – die ersten Schritte in der Geschichte der Perkussion und die Geburt der ersten Schlaginstrumente vorstellen. Ihre Faszination haben die trommlerischen Urhölzer allerdings nie verloren, die Claves geben mit ihrem trocken prägnanten Klang weltweit in vielen Musikkulturen immer noch den Takt an. Als Kurztoninstrumente par excellence bringen sie Rhythmen auf den Punkt und auch im größten Durcheinander einer musizierenden Früherziehungsgruppe bleiben sie stets hörbar.
Aus dem Verlangen heraus, Musik mit diesen denkbar einfachsten Instrumenten zu machen, schrieb der amerikanische Komponist Steve Reich 1973 seine Ikone der Minimal-Music Music for Pieces of Wood für fünf Paar gestimmte Holzstäbe, in deren prozesshaftem Verlauf sich dichte melo-rhythmische Klangteppiche dadurch entwickeln, dass Pausen nach und nach durch Schläge ersetzt werden.
Bereits 1992 stellte der deutsche Komponist Christoph Weinhart auf Anregung seines Hochschulkollegen, des damaligen Würzburger Schlagzeugprofessors Siegfried Fink, der Reich’schen Komposition seine für vier Claves-Spieler geschriebenen Songs from the Wood beiseite. Anders als Reich arbeitet Weinhart in seinem Stück aber nicht minimalistisch repetitiv, sondern motivisch. Durch differenzierte Anschlags- und Behandlungsweisen gelingt es ihm, das Klangspektrum der archaischen Urinstrumente variabel zu gestalten. So werden die Claves an verschiedenen Stellen angeschlagen oder tremolierend gespielt, sie werden in der Haltehand gedämpft, mit Schlägeln geschlagen oder gegeneinander gerieben. Die dreiteilige Struktur des nur wenige Minuten dauernden Stücks (Allegro, Andante und Moderato) ist sonatenähnlich, wobei kleine Soli mit Tuttipassagen abwechseln und Akzentverschiebungen sowie Taktveränderungen für ein lebendiges rhythmisches Bild sorgen.
Wegen ihrer relativ leichten Spielbarkeit sind die Songs from the Wood sehr gut für den Einsatz in Schulen oder Musikschulen geeignet, auch Nichtschlagzeuger können sie aufführen und von den elementaren rhythmischen Erfahrungen profitieren. Aber auch studentische und professionelle Schlagzeugensembles werden sich über einen neuen Repertoirebaustein freuen, den sie in ihren Konzertprogrammen als ein weiteres und doch ganz anderes Beispiel einer Musik mit minimalem Material optimal mit Reichs Music for Pieces of Wood kombinieren können. Das Publikum wird ihnen diese Momente musikalisch-rhythmischer Konzentration innerhalb der heute üblichen perkussiven Materialschlachten gewiss danken!
Stephan Froleyks