Werke von Karel Růžička und Tomáš Sýkora

Songs for Orchestra

Tomáš Sýkora (Klavier), David Fárek (Saxofon), Tomáš Liška (Kontrabass), Roman Vícha (Schlagzeug), Prague Radio Symphony Orchestra, Ltg. Štěpánka Balcarová

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Animal Music ANI 093-2
erschienen in: das Orchester 11/2021 , Seite 79

Bei dem Musikprojekt Songs for Orchestra treffen sich Gleichgesinnte. Auf den ersten Blick ist dieses Einverständnis in der bisher seltenen Formation aus Jazzensemble, Symphonieorchester und dem Komponisten am Klavier nicht erkennbar, doch das musikalische Vokabular macht diesen Konsens hörbar. Der Komponist und Pianist Tomáš Sýkora führt hier einen kleinen, aber illustren Kreis tschechischer Jazzmusiker und das Prague Radio Symphony Orchestra zusammen.
Sýkora ist bekannt für seine aufgeschlossene Herangehensweise. Er kombiniert zeitgenössische und klassische Einflüsse mit typischen Jazzelementen. So sind auch die drei Solisten, der Saxofonist David Fárek, der Bassist Tomáš Liška und der Schlagzeuger Roman Vícha, ausgesprochen vielseitige Künstlerpersönlichkeiten. Das Prague Radio Symphony Orchestra wird von Štěpánka Balcarová dirigiert, einer kreativen Musikerin, die ihre Ideen mit viel Energie als Komponistin, künstlerische Leiterin der Concept Art Orchestra Big Band und als Jazztrompeterin in die Tat umsetzt.
Das Programm von Songs for Orchestra ist eine Hommage an den tschechischen Jazzpianisten und Komponisten Karel Růžička (1940-2016). Sýkora war viele Jahre sein Student und ein enger Freund. Er präsentiert eines der berühmtesten Stücke seines Lehrers, Lovebird, in einem neuen Arrangement für Jazzensemble und Orchester. Die Ästhetik des Vogelgesangs diente schon oft als musikalische Inspiration. Hier wird eine zarte Melodie von Flöte und Oboe initiiert, die vom Solo-Saxofon aufgegriffen und facettenreich ausgedeutet wird.
Die Hidden Songs Suite lebt von Kontrasten: einerseits energisch und rhythmusbetont, andererseits sensibel und atmosphärisch vernetzt. Sýkora folgt seinen künstlerischen Impulsen, ohne an Genres gebunden zu sein. Diese Flexibilität zeigt sich in variabler Stimmführung, hymnischen Crescendi, solistischer Improvisation und lyrischen Gesangsparts. Elemente aus Bebop, Rhythm & Blues, minimalistische Patterns und Nuancen böhmischer Blasmusik sind Bruchteile des stilistischen Mosaiks.
Den Abschluss bildet die Grace and Gratitude Suite, ein Medley aus verschiedenen Stücken des gleichnamigen Albums von Karel Růžička junior. Ursprünglich wurde das Werk für Jazzquartett geschrieben; Sýkoras Arrangement eröffnet eine Horizonterweiterung. Individualität und Kollektivität werden neu definiert. Die Offenheit des Arrangements kommt besonders dem Solo Saxofon zugute. Die fantasievollen und expressiven Interpretationen David Fáreks werden durch seine spieltechnische Virtuosität unterstrichen. Diese Live-Aufnahme beeindruckt nicht nur durch das fein abgestimmte Zusammenspiel der einzelnen Akteure, sondern auch durch die hohe Klangqualität. Hier wird ein kleiner Eindruck der enormen Vielfalt zeitgenössischer tschechischer Musik hörbar, die eine große Bereicherung für die europäische Musiklandschaft ist.
Juliane E. Bally