Telemann, Georg Philipp

Sonaten für zwei Flöten (Violinen) op. 2

TWV 40:101-106, nach den Quellen hg. von Jochen Reutter, Hinweise zur Interpretation von Susanne Schrage, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Wiener Urtext Edition, Wien 2012
erschienen in: das Orchester 12/2012 , Seite 68

“Meine einzige Absicht, meine Herren, ist es […], Ihnen etwas Kurzweil für Ihre Mußestunden zu schenken”, so schrieb Georg Philipp Telemann in der Vorrede zu seinen erstmals 1726 erschienenen sechs Sonaten für zwei Traversflöten ohne Basso continuo, die er den Söhnen zweier ihm bekannter Hamburger Familien widmete, die trotz ihres jungen Alters offenbar schon wackere Traversisten gewesen zu sein scheinen. Daneben gab der Komponist seiner Hoffnung Ausdruck, dass die jungen Herren die Sonaten zu ihrem Fortschreiten in der Wissenschaft des Flötenspiels gebrauchen mögen.
Daraus lässt sich ersehen, dass Telemann diese Sammlung nicht unbedingt für den Konzertgebrauch professioneller Flötisten komponierte, sondern Musik für den heimischen Gebrauch von Kennern und Liebhabern im Sinne hatte – worüber sich auch heutige Amateurmusiker noch freuen dürfen: Liegen ihnen hier doch tatsächlich sechs jeweils viersätzige Sonaten vor, die ein engagierterer Flötenschüler mit etwas Übung sehr gut spielen kann und in denen er ob der (dem Urtext enstprechenden) weitgehenden Abwesenheit von Anweisungen zu Artikulation, Phrasierung und Dynamik zum Selberdenken und vielleicht auch einmal zum Nachschlagen in der einen oder anderen Quelle angeregt wird. Auch finden sich im Vorwort Hilfen zur Interpretation und Quellenzitate.
Die Stücke wurden 1726 zuerst von Telemann selbst herausgegeben und jeweils mit zwei Notenschlüsseln versehen, sodass sie auch ohne Transposition auf der Blockflöte zu spielen seien. Auf diese Doppelschlüsselung verzichtete der Herausgeber dieser modernen Ausgabe dankenswerterweise – denn den durchschnittlichen Amateurmusiker würde sie vermutlich nur verwirren; der professionelle Blockflötist dagegen dürfte auch ohne eigenen Schlüssel in der Lage sein, die Stücke zu transponieren.
Die sechs Sonaten steigen im Schwierigkeitsgrad leicht an. So steht die erste in D-Dur, der Grundtonart der Traversflöte, die zweite in G, was auf diesem Instrument ebenfalls sehr gut zu greifen ist, die letzte schließlich in E, einer Tonart, die schon gewisse Tücken für den Traversflötisten birgt. Auf der modernen Querflöte sind die Unterschiede naturgemäß nicht so groß – doch entgeht den Interpreten hier natürlich der Reiz der erst durch die Stimmung der Traverse wahrnehmbaren Tonartencharakteristiken.
Da die Sonaten in Form, Tempi und Melodik sehr unterschiedlich sind, macht es schon Freude, die Stücke alleine zu üben. Zu zweit eröffnet sich dann die volle kompositorische Meisterschaft Telemanns, etwa in den Stimmkreuzungen, die so raffiniert angelegt sind, dass sie der Hörer kaum bemerkt, aber auch in anderen Passagen, in denen eine Flöte quasi eine Bassrolle und somit die harmonische Führung übernimmt – selbst wenn sie höher spielt als die andere.
Eitel Freude auch hinsichtlich Notenbild und -satz; ausklappbare Seiten ersparen sogar das Blättern innerhalb eines Satzes – ein Luxus, den man sich bei vielen Ausgaben wünschen würde. Insofern: hervorragende Musik, sehr gute Edition. Traversflötisten, greift zu!
Andrea Braun