Schubert, Franz

Sonaten für Violine und Klavier

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Querstand VKJK 1128
erschienen in: das Orchester 11/2012 , Seite 86

Ferdinand Schubert – kein übermäßig begabter Musiker, dafür aber Bruder eines Genies – dürfte geahnt haben, welche Schätze der Entdeckung harrten und welcher Profit sich aus ihnen schlagen ließ, als er große Notenkonvolute aus dem Nachlass des 1828 gestorbenen Bruders Franz an den Verleger Diabelli verkaufte. Und Letzterer war geschäftstüchtig genug, um zu erkennen, dass der Name des zu dieser Zeit durchaus populären Liedkomponisten Franz Schubert auch Liebhaber der Klavier- und Kammermusik anziehen würde. Im Fall der 1837 veröffentlichten drei Sonaten für Violine und Klavier (D-Dur, a-Moll, g-Moll) scheint er sich allerdings Sorgen um mögliche Käuferängste angesichts ausgewachsener Sonaten gemacht zu haben: Er publizierte die 1816 entstandenen Werke unter dem Titel “Sonatinen”. Ob die Marketing-Idee seinerzeit gefruchtet hat, ist nicht überliefert. Langfristig jedoch hat sie dazu beigetragen, dass insbesondere die D-Dur-Sonate, deren technische Ansprüche nicht übermäßig hoch sind, als ein Werk gehobener Schülerliteratur im Repertoire verblieb.
Welch großen Entwicklungsschritt der Instrumentalkomponist Schubert um das Jahr 1817 vollzog, zeigt sich nicht zuletzt in der Violinsonate A-Dur D 574. Verglichen mit den Sonatinen vernehmen wir in dieser Sonate bereits Vorboten des späten Stils: komplexe Harmoniefolgen, überraschende Modulationen, üppige Melodik und eine deutliche Tendenz zur weiträumigen Ausspinnung kleiner rhythmisch-melodischer Zellen. Auch dieses Werk wurde von Diabelli veröffentlicht, allerdings erst 1851, ein Jahr später als die große C-Dur-Fantasie, die zehn Jahre nach der A-Dur-Sonate entstanden war.
Auf den Konzertpodien hören wir sowohl die kleinen Sonaten als auch die A-Dur-Sonate bedauerlicherweise selten. Gewiss bieten diese Werke, zumal die Sonatinen-Gruppe, heutigen Virtuosen nur wenig zirzensische Wirkungsmöglichkeiten. Dass es den Musikern der vorliegenden Aufnahme hierum nicht geht, erschließt sich bereits nach wenigen Takten: Gernot Süßmuth – 1. Konzertmeister der Weimarer Staatskapelle, Solist, Kammermusiker, Hochschullehrer – und Frank-Immo Zichner – ehedem Pianist am Berliner Schauspielhaus, heute vielseitig mit Schwerpunkt Kammermusik tätig – pflegen ein subtiles, fein ausgehörtes Duospiel, das der Intimität, aber durchaus auch den Kontrasten und der Farbigkeit der Werke gerecht wird. Präzis abgestimmte, atmende Phrasierung prägt das Spiel dieser beiden noblen Musiker, die auch als Mitglieder das Aperto Piano Quartett gemeinsam musizieren. Sowohl Geiger als auch Pianist kultivieren einen schlanken Klang und flexiblen Duktus, allenfalls Süßmuths Neigung zu omnipräsentem Vibrato fällt ein wenig aus der Zeit.
Ein weiterer, indes marginaler Einwand: Aufnahmetechnisch scheint die Balance der beiden Instrumente nicht durchweg glücklich eingefangen. Gelegentlich ist die Violine zu weit “hinten”.
Gerhard Anders