Johann Graf

Sonaten für Violine und Basso continuo

Anne Schumann (Violine), Klaus Voigt (Viola da spalla), Sebastian Knebel (Cembalo)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 12/2021 , Seite 82

Doch, es gibt sie noch: unbekannte Barockmusik, die sich zu entdecken lohnt! Die CD des Labels Genuin präsentiert keine Dutzendware barocker Vielschreiber, sondern eine echte Novität: Violinsonaten von Johann Graf (1688-1750), dessen Lebensdaten sich fast mit denen von Johann Sebastian Bach decken. Der Nürnberger Musiker machte sich als Violinist und Oboist einen Namen. Nach sechs Jahren Aufenthalt in Ungarn kam er als Hofmusiker in den Dienst des Mainzer Kurfürsten und Bamberger Bischofs Lothar Franz von Schönborn; 1722 wurde er als Konzertmeister und schließlich 1739 als Hofkapellmeister an den Hof des Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt in Thüringen berufen.
Bereits 1718 publizierte er eine Sammlung mit 6 Violinsonaten als Opus 1; zwei weitere Sammlungen folgten: op. 2 (1723) und op. 3 (1737). Letztere wurden im Übrigen von dem befreundeten Georg Philipp Telemann „in die Platten gebracht“, wie in einem Brief übermittelt ist. Die CD bietet mit je zwei Sonaten aus den drei Opera einen Überblick über die kompositorischen Fähigkeiten des Rudolstädter Meisters und seiner stilistischen Entwicklung.
Orientieren sich die Erstlingswerke noch an dem Modell der – allerdings modifizierten – italienischen Sonate, mischen sich danach französische Elemente und im Melodienbau auf die Klassik vorausweisende Techniken ein: Da spannt sich ein musikhistorisch hörenswerter Bogen. Grafs Sonaten fanden die Bewunderung seiner Zeitgenossen, insbesondere diejenige von Johann Georg Pisendel, dem virtuosen Geiger der Dresdner Hofkapelle, der sich von Opus 2 eine Abschrift zulegte. In der Geschichte des Violinspiels nehmen die Werke einen wichtigen, bislang vernachlässigten Platz ein.
Sie fordern eine versierte Technik, geben mit beigefügten Fingersätzen einen Einblick in die Spielweise der Zeit, verblüffen immer wieder mit dem geschickten Einsatz des Bariolage-Spiels, also mit dem Spiel schneller Saitenwechsel (bei Einbezug leerer Saiten). Die Barockgeigerin Anne Schumann ist die ideale Interpretin für diese Preziosen. Sie besticht mit zupackendem Spiel, stupender Technik in den schnellen und mit beseeltem, klangvollem Aussingen in den getragenen Sätzen. Geschmackvoll und rhapsodisch frei verziert sie so manches Largo oder Adagio, improvisiert Kadenzen und überrascht mit hübschen Effekten.
Ihr zur Seite musizieren der Cembalist Sebastian Knebel und Klaus Voigt auf einer Viola da spalla, einem mit Tragband um den Hals befestigten kleinen Bass-Instrument, von dem der Lexikograf Johann Gottfried Walther berichtet, dass die „Viola di Spala … einen großen Effect beim Accompagne- ment [habe], weil sie starck durchschneiden und die Töne rein exprimiren kann“. Die dezent und spielfreudig begleitende Continuo-Gruppe mischt sich klanglich bestens mit der Barock-Violine von Anne Schumann. Eine Rarität also mit Barockmusik vom Feinsten, exzellent interpretiert und komplettiert durch ein informatives Beiheft.