Schnyder, Daniel / Nino Rota / Leonard Bernstein u.a.

Sonaten für Klarinette und Klavier

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Castigo 02474
erschienen in: das Orchester 09/2014 , Seite 84

Eine breit variable und bis in die höchsten Spitzen intonationsreine Klarinette, ein souverän in die jeweilige Rolle schlüpfendes Klavier, ein Klangbild, das die Klarinette nicht in Virtuosenmanier nach vorne manövriert, also transparentes kammermusikalisches Hörerlebnis ermöglicht, und eine angenehme stereofone Mischung, Raumeindruck vermittelnd, ohne links-rechts-betonende Effekthascherei: All dies zeichnet die CD aus.
Die Auswahl der Werke von Komponisten, die als solche nicht alle in vorderster Front stehen, muss als feinsinnig angesehen werden und zeugt von der Absicht und Fähigkeit der Interpreten, auch nicht ins Ohr springende kompositorische Beweggründe zu „hinterleuchten“ und sie so an den Hörer zu bringen. Immer wieder singt Schindlers Klarinette auf der einen Seite und spitzt andererseits keck mit zum Teil brillanten Staccati neugierig und vorantreibend auf dem Klaviersockel.
Einzig die im Booklet immer wieder angesprochene Jazz-Nähe verschiedener Werke der CD ist nur partiell auszumachen, was keinerlei Einbuße bedeutet. So birgt der erste Satz der Schnyder-Sonate zwar Jazz-Stilmittel wie Glissandi, Growling, zum Teil mit Slow-Triller, oder Akzentverschiebungen, ohne jedoch jazzig daherzukommen. Intervallisch weit ausholend singt der langsame zweite Satz. Hohes technisches Niveau ist dem rasant-virtuosen dritten Satz zu entnehmen mit seinen metrum-aufreißenden Synkopen und triolisch stolpernden Einschübseln. Tänzerisch und in Ansätzen klezmerisch drückt sich der Schlusssatz aus. Jazz-Impro-like „wurlt“ sich die Klarinette zu harmonischen Teilzielen.
In der Sonate von Nino Rota scheint der Filmkomponist durch. Der dritte Satz ist prototypisch für das innige und bemessene agogische Können der beiden Interpreten. Betonung eines Klangs im Decrescendo nach Verlängerung des vorhergehenden wird des Öfteren überzeugend demonstriert. Leonard Bernsteins erstes veröffentlichtes Werk, die 1941/42 komponierte Klarinetten-Sonate, atmet europäisch. Insbesondere das Dreiton-Motiv mit Ganztontransposition, das den zweiten Satz einleitet und aus dem ein schneller B-Teil erwächst, dann zu A’-B’ zurückkehrend, ergibt schöne Musik. Exakte Sechzehntel-Klavierakkorde garnieren, oft fünfergetaktet, den Ablauf. Die Poulenc-Sonate, 1962 komponiert, erinnert gemäß Booklet mehr an Haydn und Mozart als an die ausladenden Sonaten des 19. Jahrhunderts. Der zweite Satz ist Höhepunkt in klarinettistischem wie pianistischem „Bel canto“ sowie an Spannung in Langsamkeit. Salven Poulenc’scher Bravourmusik bestechen im dritten Satz. Joseph Horovitz’ dreisätziges Werk geht leicht ins Ohr. Eine erzählende, themenreihende Klarinette im ersten Satz, hochromantisch der zweite – eingedenk der zeitstützenden Atemgeräusche bläserseits –, zeigt der Endsatz am meisten traditionellen Jazz, auch im Stil, quasi tonalen Bebop.
Wenn Musizierpartner ihre Ausdrucksrollen kennen und darzustellen vermögen sowie die vorausschauende Zeiteinschätzung der Spielabläufe beherrschen, dann entsteht schöne Musik. Dieses Paar, das so wie aus einem Guss musizieren kann, streut Gier nach mehr. Die CD wird viel Genuss bereiten.
Maximilian Schnurrer