Franck, Eduard

Sonate Nr. 3 in E für Violine und Klavier op. 60/Sonate Nr. 4 in D für Violine und Klavier op. posth.

Urtext, hg. von Nick Pfefferkorn

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Pfefferkorn Musikverlag, Leipzig 2012
erschienen in: das Orchester 04/2013 , Seite 67

Melchior und César: ja. Aber Eduard Franck? Ich dürfte nicht der einzige sein, dem dieser Komponist bisher nicht begegnet ist. Er spielt im Musikleben quasi keine Rolle. Dabei weist der 1817 in Breslau geborene Franck ein umfangreiches Werkverzeichnis (Orchester-, Kammermusik- und Klavierwerke), eine veritable Vita (u.a. mit Stationen als Klavier- und Theorielehrer bzw. -professor in Köln, Bern und Berlin) und beste Referenzen (Schumann, Hiller u.a.) auf. Als Privatschüler Felix Mendelssohn Bartholdys gehört er den Traditionalisten der romantischen Epoche an. Worin könnte die Vergessenheit Francks begründet sein? Neben Musikgeschichtsschreibung, Verlagspolitik, Programmgestaltung zielt hier der Blick auf die Qualität der Werke, gemessen an zeitgenössischen Standards, die für die Gattung Violinsonaten u.a. von Schubert, Schumann und Brahms gesetzt wurden.
Der Kopfsatz der dritten Sonate enthält ein Hauptthema im Wiegenliedcharakter mit choralhafter Begleitung, das harmonisch nicht vom Fleck kommt: 48 Takte bekräftigen E-Dur. Es folgt eine knappe Modulation nach A, in der das zweite Thema steht, pastoral mit seinen Hornquinten, weitere 50 Takte die Tonart bestätigend. Das ist nicht sonderlich originell, harmonisch kaum auf der Höhe der Zeit. In der Durchführung ist das Anfangsthema in eine huschende Sextolenfigur überführt worden, in der Violinstimme wird das 1. Thema nach Abspaltungen wiedergefunden. Es folgt ein Presto-Scherzo in Synkopen, während des Trios ist die Violine mit Pizzikato-Akkorden alle acht Takte unterbeschäftigt. Das romanzenhafte Andante enthält auch Scherzando-Partien mit kleineren Imitationen. Die offenen Akkorde zu Beginn des Finals suggerieren ein Aufspielen einer Bauernkapelle, unerwarteterweise setzt das Klavier und nicht die Geige mit dem Tanzthema ein.
Nach klassizistischem Beginn geht die vierte Sonate in einen Schumann’schen vorwärtstreibenden Charakter über, dabei durch verschiedenste Tonarten streifend, die Form ist freier, eher assoziativ gestaltet. Das melodisch schön ausgearbeitete Scherzo gemahnt an Brahms. Hier sind auch die Aufgaben zwischen den beiden Instrumenten spezifisch verteilt, sodass sich der Titel Sonate für Violine und Klavier (und nicht umgekehrt) rechtfertigt. Das Adagio besitzt ein neuntaktiges Thema, das in der Folge mit ausufernden Klaviersätzen variiert wird, stark wechselnd zwischen Klangfarben und Satztypen. Vergnüglich ist das abschließende Presto, jedoch sehr kurz.
An den Stücken allein kann Francks Schattendasein nicht liegen. Wie bei vielen anderen Komponisten gibt es bei ihm unterschiedliche Qualitäten. Interpreten müssen ihre Auswahl selbst treffen. Der Leipziger Pfefferkorn-Verlag nimmt sich in Zusammenarbeit mit den Erben der Veröffentlichung der Werke Eduard Francks an. Der Notentext ist sorgsam hergestellt. Da die Stimmanzahl im Klaviersatz sehr häufig wechselt, müssen die Bindebögen zuweilen genau gelesen werden, einige zusätzliche Vorzeichen wären hilfreich (z.B. Sonate Nr. 4, 1. Satz, T. 194 f.). Geeignet sind die Sonaten für fortgeschrittene Schüler sowie Studenten, und es wäre zu begrüßen, wenn Werke Francks auch im Konzertsaal zu hören wären.
Christian Kuntze-Krakau

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