Ludwig van Beethoven

Sonate in F

für Klavier und Horn oder Violoncello op. 17, Urtext, hg. von Jonathan Del Mar

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 10/2020 , Seite 66

Als Jonathan Del Mar 1997 mit der neuen Urtext-Ausgabe der neun Symphonien Beethovens im Bärenreiter-Verlag begann, hat sich der britische Dirigent und Musikwissenschaftler endgültig als Intimus von Beethovens Werk einen Namen gemacht. Seit sich der akribische Handschriften-Wühler mit Lupe und Verstand durch die von ihm mitnichten als „unlesbar“ bewerteten Partiturseiten ackert, ist so manch neue Note im Werk des heuer als Jubilar Gefeierten ans Licht und ans Ohr gekommen. 2020 liegt nun Beet- hovens Hauptwerk im Bärenreiter-Urtext vor, vorbildlich für den Gebrauch ediert, wie man das seit Jahrzehnten aus Kassel gewohnt ist.
Neu ist jetzt die Hornsonate op. 17 erschienen, Kernrepertoire der Hornisten. Und lohnender Seitensprung der von Beethoven anderweitig reich bedachten Cellisten, denn er hat von eigener Hand und wohl in Absicht einer besseren Vermarktung eine Fassung für Klavier und Violoncello erstellt. Deren bisweilen bezweifelte Authentizität steht für Del Mar außer Frage: Die Erfindung der zusätzlichen Verzierungen, ja neuen Figuren in der Cellostimme zeugten von einiger Empfindung fürs Streichinstrument und gingen über eine schlichte Transkription weit hinaus.
Del Mar musste diesmal keine Handschriften entziffern: Opus 17 liegt nurmehr in der Erstausgabe vor. Das handschriftliche Original, das am 18. April 1800 im Wiener Kärntnertortheater von Beethoven selbst und dem damaligen Star-Hornisten Giovanni Punto uraufgeführt wurde, ist verschollen. Einzig die Erstausgabe, in Einzelstimmen veröffentlicht 1801 im Wiener Verlag T. Mollo & Comp., stand den Herausgebern zur Verfügung, die sich aufführungspraktisch und sachkundig vom Pianisten Robert Levin und dem Cellisten Steven Isserlis beraten ließen. Als weitere Quellen dienten die erste Partiturausgabe von Breitkopf & Härtel von 1863 – der Verlag besorgte 1973 ei ne eigene Urtext-Edition – sowie die Henle-Urtext-Ausgabe von 1993. All diese Quellen fließen in den Kritischen Kommentar ein, der – auf Englisch – Artikulations- und Dyna- mikbezeichnungen diskutiert und die herausgeberischen Entscheidungen transparent macht, als unabdingbare Hilfe für jeden Interpreten.
In der Einleitung zu dieser Ausgabe erfährt der geneigte Leser anek- dotenhafte Details zur Entstehung der Sonate, die den Interpreten der Uraufführung als einen der ersten Virtuosen der damals neuen Stopftechnik darstellen und Beethoven als einen der ersten, die die neuen chromatischen Möglichkeiten des Horns (und die damit verbundenen klanglichen Schattierungen der Töne) nutzte. Dass Giovanni Punto aus dem Sudetenland stammte, eigentlich Jan Václav Sich hieß und seinem Grundherrn, dem Grafen Thun desertierte, ist hier ebenso erwähnt wie erste, wohlwollende Zeitungskritiken der Uraufführung. Aber auch die neue Technik kriegt in einer Rezension ihr Fett. Dort heißt es, dass „Punto, bei all seiner Geschicklichkeit, diese neuen Töne mit einer ähnlichen Mühe produziert wie ein Mensch, der von einem Alptraum heimgesucht ist und vergeblich zu schreien versucht.“

Armin Kaumanns