Brahms, Johannes

Sonate in e-Moll für Klavier und Viola

nach der Sonate für Klavier und Violoncello op. 38, bearb. und hg. von Daniela Piper, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: ViolaViva, Schorndorf 2013
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 71

Die Viola ist eines jener Instrumente, die von Originalliteratur des 19. Jahrhunderts wahrlich nicht verwöhnt wird. Das gilt insbesondere für Johannes Brahms, der kein originales Werk für sie komponiert hat. Dabei würde doch der sonore, träumerische und oft melancholische Klang des Instruments sehr gut zum Charakter der Brahms’schen Musik passen.
Offenbar spürte der Komponist diese Verwandtschaft seiner Musik zu dem vernachlässigten Streichinstrument, als er seine Klarinettensonaten op. 120 für die Viola bearbeitete. Diese Sonaten werden heute von vielen Violaspielern als genuines Bratschenrepertoire empfunden und gespielt. Doch wie verhält es sich, wenn die Sonate für Violoncello und Klavier für die Viola bearbeitet wird?
Daniela Pieper veröffentlichte im Verlag ViolaViva eine Bearbeitung dieser Sonate für Viola und betritt damit Bratschenneuland; denn bislang wurde diese Sonate nicht von Violavirtuosen in Konzerten oder auf CD aufgeführt. Hat diese Bearbeitung eine Existenzberechtigung? Als Übestoff für Bratschisten erfüllt sie gewiss ihren Zweck. Doch soll und kann man sie im Konzertsaal spielen?
Im Vergleich mit dem Violoncello hat die Bratsche das Manko der geringeren Tiefe. Das Violoncello beginnt mit dem tiefen E, die Bratsche eine Oktav höher. Ihr fehlt es an Basscharakter, an Fülle und Wärme. Außerdem verändert sich die Konstellation zum Klavier, dessen Part Daniela Pieper weitgehend unangetastet lässt. Während das Violoncello gleichsam als tiefer Bass auch für die Klavierakkorde dient, verschmilzt die Bratsche mit den auf gleicher Tonhöhe gespielten Akkorden des Klaviers. Am Anfang wirkt die Bratschenfassung deshalb eindimensionaler. Doch später ändert sich das, wenn die Viola in hohe Sopranlagen vorstößt, die dem Violoncello eher verschlossen sind. Hier gewinnt die Brahms’sche Musik an Expressivität und Leidenschaftlichkeit. Ein Virtuose und Klanggestalter auf der Viola kann also mit dieser Bearbeitung die Brahms’sche Violoncellosonate in einem neuen Licht zeigen. Aber das Violoncello wird immer der Maßstab bleiben: Sein Bassklang ist eben mit diesem Werk verbunden. Bei den Bearbeitungen der Klarinettensonaten verhält es sich anders. Sie bleiben nicht innerhalb der Streicherfamilie wie hier, sondern wechseln vom Holzblasinstrument zum Streichinstrument und bringen so ganz andere Klangfarben zu Gehör.
Dennoch ist diese Bearbeitung für Violaspieler auf jeden Fall eine Bereicherung. Sie fußt übrigens auf dem Notentext der Urtext-Ausgaben von Henle und Wiener Urtext (Schott/Universal Edition). Die Herausgeberin griff nur behutsam ein, wenn es aufgrund der höheren Bratschenlage zu Klangüberlagerungen kommen würde. Der Notentext ist gut lesbar und praxistauglich eingerichtet.
Franzpeter Messmer