Richard Strauss
Sonate F-Dur
für Klavier und Violoncello, 1. Fassung nach dem Text der Kritischen Ausgabe (Richard Strauss Werke) hg. von Florence Eller/ Andreas Pernpeintner/ Stefan Schenk, Partitur und Stimme
Eine Sonate als Bildungsroman? In jedem Fall gewährt sie uns spannende Einblicke in die Werkstatt eines kaum Siebzehnjährigen, der zu einem der Großen der nachfolgenden Jahrzehnte wurde.
Bisher kannten wir nur eine Cellosonate von Richard Strauss. Sie entstand 1882/83 und wurde im Dezember 1883 uraufgeführt. Am Cello saß Widmungsträger Hanus Wihan, ein Kollege des hornspielenden Strauss-Vaters im Münchner Hofopernorchester. Mit der Publikation der 1881 komponierten Erstfassung eröffnet sich nun die Möglichkeit, das Frühwerk mit seinem bisher nicht zugänglichen Vorgänger zu vergleichen.
Erstaunt stellen wir fest, welche Entwicklungsschritte eineinhalb Jahre im Leben eines genialen Musikers auslösen können, und ebenso erstaunt registrieren wir, auf welche Eingebungen der Frühfassung Strauss bei der Revision verzichtet hat. Offenbar strebte der Komponist im Zuge der Neufassung des 1. Satzes nach mehr Dramatik. So ist (einigermaßen!) erklärlich, wie er den vielleicht schönsten Moment der Erstfassung – in der Reprise erscheint das Seitenthema zunächst in a-Moll, dann in mendelssohnisch-schwärmerischem A-Dur – aufkündigen konnte zugunsten einer Entwicklungslinie, die zunächst in Moll verharrt und dem Schlussabschnitt des Satzes in der Tat größere Stringenz verleiht.
Dass Strauss sich gleichsam auf der Reise von der Früh- zur Spätromantik befand, zeigt sich auch an der nachträglichen Eliminierung der (ebenfalls mendelssohn-affinen) pochenden Klavierakkorde der Erstfassung (ab T. 31) zugunsten eleganter Arabesken in der Zweitfassung. Aufschlussreich auch der Vergleich der Durchführungen: Hier wie dort erklingt ein vierstimmiges Fugato, in der Zweitfassung geht diesem jedoch eine mit heftigen Dissonanzen gewürzte „Opernszene“ voraus, die in der Frühfassung fehlt.
„Ich hätte sie auch nicht gekrönt“, stellte Strauss später fest und bezog sich auf einen Wettbewerb für Cellowerke, zu dem er die Frühfassung seiner Sonate eingereicht hatte. Sie ging leer aus, Strauss entschied sich zur Revision, griff aber hierfür lediglich auf den Kopfsatz zurück. Mittelsatz und Finale der Zweitfassung sind Neukompositionen: An die Stelle eines idyllischen C-Dur-Larghetto trat ein herber d-Moll-Satz, wohingegen beim Finale die Grundparameter der Erstfassung – 6/8-Takt, Scherzando-Charakter – beibehalten wurden.
Flankierend zu dieser makellos edierten und mit einem informativen Vorwort ausgestatteten Repertoireerweiterung erschien eine CD-Produktion beider Werke durch das Duo Raphaela Gromes (Cello) und Julian Riem (Klavier). Die beiden Musiker haben überdies – brandaktuell, aus coronabedingter Quarantäne heraus – eine Reihe sympathischer Einführungsvideos mit dem Titel „Behind the scenes“ zum Thema Strauss-Sonate(n) gedreht, die auf dem YouTube-Kanal von Raphaela Gromes zu finden sind. Alles in allem: ein tolles Strauss-Rundum-Paket: Zuhören, Zugreifen!
Gerhard Anders