Richard Strauss

Sonate F-Dur

für Klavier und Violoncello, 1. Fassung nach dem Text der Kritischen Ausgabe (Richard Strauss Werke) hg. von Florence Eller/ Andreas Pernpeintner/ Stefan Schenk, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 67

Eine Sonate als Bildungsro­man? In jedem Fall gewährt sie uns spannende Einblicke in die Werk­statt eines kaum Siebzehnjährigen, der zu einem der Großen der nach­folgenden Jahrzehnte wurde.
Bisher kannten wir nur eine Cellosonate von Richard Strauss. Sie entstand 1882/83 und wurde im Dezember 1883 uraufgeführt. Am Cello saß Widmungsträger Hanus Wihan, ein Kollege des hornspielenden Strauss-Vaters im Münchner Hofopernorchester. Mit der Publi­kation der 1881 komponierten Erst­fassung eröffnet sich nun die Mög­lichkeit, das Frühwerk mit seinem bisher nicht zugänglichen Vorgän­ger zu vergleichen.
Erstaunt stellen wir fest, welche Entwicklungsschritte eineinhalb Jahre im Leben eines genialen Mu­sikers auslösen können, und ebenso erstaunt registrieren wir, auf welche Eingebungen der Frühfassung Strauss bei der Revision verzichtet hat. Offenbar strebte der Kompo­nist im Zuge der Neufassung des 1. Satzes nach mehr Dramatik. So ist (einigermaßen!) erklärlich, wie er den vielleicht schönsten Moment der Erstfassung – in der Reprise er­scheint das Seitenthema zunächst in a-Moll, dann in mendelssohnisch-schwärmerischem A-Dur – aufkün­digen konnte zugunsten einer Ent­wicklungslinie, die zunächst in Moll verharrt und dem Schlussabschnitt des Satzes in der Tat größere Strin­genz verleiht.
Dass Strauss sich gleichsam auf der Reise von der Früh- zur Spätromantik befand, zeigt sich auch an der nachträglichen Eliminierung der (ebenfalls mendelssohn-affinen) pochenden Klavierakkorde der Erstfassung (ab T. 31) zugunsten eleganter Arabesken in der Zweit­fassung. Aufschlussreich auch der Vergleich der Durchführungen: Hier wie dort erklingt ein vierstim­miges Fugato, in der Zweitfassung geht diesem jedoch eine mit hefti­gen Dissonanzen gewürzte „Opern­szene“ voraus, die in der Frühfas­sung fehlt.
„Ich hätte sie auch nicht ge­krönt“, stellte Strauss später fest und bezog sich auf einen Wettbe­werb für Cellowerke, zu dem er die Frühfassung seiner Sonate einge­reicht hatte. Sie ging leer aus, Strauss entschied sich zur Revision, griff aber hierfür lediglich auf den Kopf­satz zurück. Mittelsatz und Finale der Zweitfassung sind Neukompo­sitionen: An die Stelle eines idylli­schen C-Dur-Larghetto trat ein her­ber d-Moll-Satz, wohingegen beim Finale die Grundparameter der Erstfassung – 6/8-Takt, Scherzando-Charakter – beibehalten wurden.
Flankierend zu dieser makellos edierten und mit einem informati­ven Vorwort ausgestatteten Reper­toireerweiterung erschien eine CD-Produktion beider Werke durch das Duo Raphaela Gromes (Cello) und Julian Riem (Klavier). Die beiden Musiker haben überdies – brandak­tuell, aus coronabedingter Quaran­täne heraus – eine Reihe sympathi­scher Einführungsvideos mit dem Titel „Behind the scenes“ zum The­ma Strauss-Sonate(n) gedreht, die auf dem YouTube-Kanal von Ra­phaela Gromes zu finden sind. Alles in allem: ein tolles Strauss-Rund­um-Paket: Zuhören, Zugreifen!
Gerhard Anders