Edvard Grieg
Sonate F‑Dur op. 8
für Klavier und Violine, Urtext, hg. von Ernst-Günter Heinemann und Einar Steen-Nøkleberg
Edvard Grieg (1843–1907) hatte auf Anraten des norwegischen Geigers und Volksmusikforschers Ole Bull, dem „Paganini des Nordens“, schon mit 15 Jahren ein Musikstudium am Konservatorium in Leipzig aufgenommen, damals eine der ersten Adressen in Europa. Mit knapp 19 Jahren schloss er sein Studium erfolgreich ab. 1864 lernte Grieg, wieder durch Ole Bull, norwegische Volksmusik für die „hardingfele“ (Hardangerfiedel) kennen und diese Musik sollte ihn bis an sein Lebensende faszinieren. Im Sommer 1865 – er war frisch verheiratet – komponierte er die erste von drei Sonaten für Klavier und Violine, die Sonate F‑Dur op. 8. Diese widmete er dem deutschen Geiger August Fries – für ihn eine Art väterlicher Freund –, der seit 1842 als Konzertmeister und Dirigent in Bergen, dem Geburtsort Griegs, tätig war.
Die F‑Dur-Sonate ist das erste Werk, in dem Grieg norwegische Volksmusik in einer klassischen Komposition verwendet. 1865 führte Grieg die Sonate zusammen mit einem befreundeten jungen Geiger in Leipzig auf, mit großem Erfolg: Das Werk wurde noch im Monat der Uraufführung bei C.F.Peters verlegt und aufgrund der großen Nachfrage seitdem nahezu jährlich immer wieder neu aufgelegt. Generationen von Geiger:innen und Pianist:innen haben aus dieser Ausgabe gespielt. Auch Franz Liszt war von dem Werk begeistert. Vom zweiten Satz der Sonate hat Grieg später eine vierhändige Fassung für seine Frau Nina und sich angefertigt, eine Bereicherung auch für das Klavierduo-Repertoire.
Die Sonate F‑Dur op. 8 für Klavier und Violine ist ein spielfreudiges Werk in klassisch-romantischer Sonatenform. Der erste Satz ist in der Sonatenhauptsatzform komponiert, der zweite – der leichteste von den drei Sätzen – ist einem norwegischen Volkstanz nachempfunden, wie für die Hardangerfiedel geschrieben, mit gut liegenden Doppelgriffen und Orgelpunkten. Ein Finale Allegro molto vivace beschließt die Sonate. Sie ist technisch etwas einfacher als Griegs spätere Violinsonaten op. 13 und op. 45, aber nicht weniger wirkungsvoll.
Jetzt hat der Henle-Verlag die Sonate F‑Dur op. 8 neu herausgegeben. Es gibt sie erstmalig mit Fingersätzen in der Klavierstimme, die vom Grieg-Spezialisten Einar Steen-Nøkleberg stammen. Auch an kleinere Hände wurde gedacht – schwierig zu greifende Stellen wurden geschickt auf zwei Hände verteilt. Die Geigenstimme ist zweifach vorhanden: die erste Fassung ohne, die zweite mit Bezeichnungen des norwegischen Geigers Henning Kraggerud, der alle drei Sonaten eingespielt hat.
Das ausführliche und sehr informative Vorwort zur Entstehungsgeschichte und der Kritische Bericht im Anhang runden das Ganze ab. Auch für „Jugend musiziert“ (Kategorie: Klavier und ein Streichinstrument, obere Mittelstufe) ist die Sonate sehr gut geeignet. Bis auf einige Oktavenstellen und Tremolo im schnellen Tempo liegt die Klavierstimme sehr gut, ebenso die Geigenstimme. Beides lässt sich gut blättern. Es wäre wünschenswert, wenn diese schöne Sonate wieder öfter in den Konzertprogrammen auftauchen würde.
Frauke Uerlichs