Richard Strauss
Sonate F-Dur op. 6
für Violoncello und Klavier, hg. von Peter Jost, Urtext, Partitur und Stimme
„Was die Cellosonate in ihrem Urzustande betrifft, so bin ich mit den damaligen Preisrichtern ganz einverstanden, ich hätte sie auch nicht gekrönt“, schrieb Richard Strauss 1886 zurückschauend an seinen Vater. Vermutlich inspirierte ihn ein Wettbewerb der Neuen Zeitschrift für Musik zur Komposition der Erstfassung seiner Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op. 6.
Auch wenn die Uraufführung im Februar 1882 durch den Widmungsträger und Cellisten Hanus Wihan und den Pianisten Joseph Giehrl auf Zustimmung bei Publikum und Presse traf, trugen wohl kritische Stimmen, der ausbleibende Wettbewerbserfolg sowie Strauss’ eigener selbstkritischer Blick zur tiefgreifenden Revision des Werks bei (vgl. Vorwort). Dabei überarbeitete er im Winter 1882/83 den ersten Satz komplett und komponierte die beiden folgenden Sätze völlig neu.
Entstanden ist eine spannende vielschichtige Sonate im romantischen Stil, die bei Cellisten zum beliebten, viel gespielten Kammermusikrepertoire zählt. In Anbetracht von Strauss’ jugendlichem Alter zur Zeit der Entstehung zeugt das Werk bereits von einer erstaunlichen kompositorischen Reife, die sich unter anderem durch ausdrucksstarke und überraschende rhythmische und harmonische Wendungen manifestiert. Der Kopfsatz Allegro con brio verbindet unter einem leidenschaftlichen Bogen mächtige Akkorde, viele agogische Momente, große dynamische Steigerungen, fugenartige leise Passagen und schwingende, lyrische Phrasen. Im Kontrast dazu trägt das folgende Andante ma non tanto mystische Züge, die in ihrer Schlichtheit und beinahe fahlen Tonsprache aus einer anderen Welt zu stammen scheinen. Nach einer großen dramatischen Steigerung wird der langsame Satz musikalisch zurück in die geheimnisvolle Stimmung geführt und verklingt im ppp im Nichts. Das Finale Allegro vivo steht im pulsierenden 6/8-Takt und bildet durch überbordende Spielfreude im „Scherzando-Charakter“ einen virtuosen und schwungvollen Abschluss der Sonate.
Der Herausgeber Peter Jost orientiert sich in seiner sorgfältig recherchierten Edition von Strauss’ Cellosonate an der Erstausgabe mit Partitur und Stimme. Da für die zweite Fassung keine handschriftlichen Quellen überliefert sind, dienen ihm gegebenenfalls die beiden autografen Niederschriften der ersten Fassung zur Klärung von Fragen im ersten Satz (bei gleichgebliebenem Notentext).
Die hier vorliegende Ausgabe erscheint in bewährter Qualität des Henle-Verlags und überzeugt durch ein gut lesbares und übersichtliches Druckbild. Eine zusätzliche bezeichnete Cellostimme von Johannes Moser bietet den Interpreten willkommene Inspiration, eigene Fingersätze und Striche für die Aufführung des Werks zu finden. Mit Extraseiten zum Ausklappen erweist sich das Layout der Cellostimme als gut durchdacht.
Anna Catharina Nimczik