Werke von Maurice Ravel, Alfred Schnittke und Sergei Prokofiev

Sonata for Violin and Cello/Sonata for Cello and Piano No. 1/ Symphony-Concerto in E Minor op. 125

Constantin Macherel (Cello), Anna Orlik (Violine), Frederic Bager (Klavier), London Mozart Players, Ltg. Jonathan Bloxham

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Claves Records
erschienen in: das Orchester 12/2024 , Seite 73

Die Meisterwerke mit Violoncello auf dieser neuen CD sind sehr gut ausgewählt, denn es handelt sich jeweils um ein Schlüsselwerk von drei der wichtigsten Komponisten des vergangenen Jahrhunderts. Maurice Ravel verbeugte sich mit seiner Sonate für Violine und Cello 1920/22 vor seinem größten Vorbild Claude Debussy und eroberte damit zugleich neue stilistische Ufer mit Polytonalität und überhaupt Neoklassizismus. Ravel erreichte dabei eine Textur, die sowohl „dünn“ als auch „orchestral“ wirkt. Der vor jetzt 90 Jahren geborene Alfred Schnittke konsolidierte seine frisch erreichte Polystilistik 1978 mit der Sonate für Cello und Klavier Nr. 1, die ein geradezu klassisches Gleichgewicht zwischen grenzenloser Emotionalität und formaler Strenge schafft: Die Panchromatik bändigte Schnittke hier mit einer Herrschaft der kleinen und großen Terzen sowie der fasslichen Dreisatz-Struktur These-Antithese-Synthese. Sergej Prokofjew schließlich schrieb sein ursprünglich 1933-38 entstandenes Cellokonzert e-Moll op. 58 1947 für den damals 20 Jahre jungen Alleskönner Mstislaw Rostropowitsch komplett neu und revidierte dieses Symphonie-Konzert op. 125, bei dem das Soloinstrument fast ständig Schwierigstes wie vierstimmige Pizzicato-Akkorde und extrem hohe Töne zu spielen hat, noch einmal 1952, wobei Prokofjews charakteristischstes und vielleicht sogar persönlichstes Werk entstand.
Constantin Macherel heißt der Cellist aus der Schweiz, der hier seine äußerst ambitionierte akustische Visitenkarte vorzeigt. Er beweist eine vorzügliche Spieltechnik und eine beachtliche Klangschönheit, scheint die drei in jeder Hinsicht anspruchsvollen Kompositionen auch geistig recht gut zu durchdringen. Schade nur, dass seine Phrasierung immer wieder fragwürdig erscheint – geradezu nervend wirken seine häufigen Akzente auf definitiv unbetont gedachten Zählzeiten. Ähnliches gilt für die anderen, gleichfalls noch recht jungen Ausführenden. Am meisten punktet diese Silberscheibe mit den vor 75 Jahren gegründeten London Mozart Players. Das selbstverwaltete Orchester beeindruckt mit leuchtendem Klang und vor allem punktgenauer Durchsichtigkeit, die Prokofjews Symphonie-Konzert endlich einmal alle Schwere nimmt (trotz Tuba). Dafür sorgt auch Jonathan Bloxham, „Conductor in Residence and Artistic Advisor“ des britischen Klangkörpers sowie Musikdirektor des Luzerner Theaters und nicht zuletzt seit der neuen Saison 2024/25 Chefdirigent der Nordwestdeutschen Philharmonie in Herford.
Ingo Hoddick