Johannes Brahms // Franz Schubert
Sonata A-Dur op. 100 / F-Dur op. 99 // Sonata A-Dur D 574 op. posth. 162
Pieter Wispelwey (Violoncello), Paolo Giacometti (Klavier)
Johannes Brahms und Franz Schubert zählen zu Pieter Wispelweys Lieblingskomponisten. Da beide kein umfangreiches Originalrepertoire für Violoncello und Klavier hinterlassen haben, arrangiert der niederländische Cellist die kompletten Duos für Soloinstrument und Klavier von Brahms und Schubert für sein eigenes Instrument mit Klavier. Mit der hier vorliegenden Einspielung erscheint nun bereits der dritte Teil des Projekts von Pieter Wispelwey und Paolo Giacometti, sämtliche Duowerke der beiden Komponisten einzuspielen. Wie sicherlich häufig bei Transkriptionen für andere Instrumente steht auch hier die Frage nach deren Berechtigung im Raum. Wispelwey selbst äußert sich dazu folgendermaßen: Angesichts der Tatsache, dass ich nicht Geige, Bratsche, Flo¨te oder Arpeggione spiele, sollte ich also auf 14 Duos meiner Lieblingskomponisten verzichten?
Wie groß seine Begeisterung für die Kompositionen von Brahms und Schubert ist, lässt ein Blick in das CD-Booklet erahnen: Hier beschreibt der Cellist überaus enthusiastisch die Werke und kommt dabei aus dem Schwärmen nicht heraus. Schuberts Violinsonate D 574, ein Jugendwerk des 20-jährigen Komponisten beispielsweise, charakterisiert er so: Diese unwiderstehliche Anfangsmelodie! Die Wonnen dieses Stu¨cks sind wirklich ohne Zahl, und alle Cellisten sollten es spielen. [
] wie ein lyrischer Bewusstseinsstrahl. Ich ko¨nnte noch stundenlang von ihren Qualita¨ten schwa¨rmen, aber an diesem Punkt mo¨chte ich mich damit zufriedengeben, zu sagen, dass es unglaublich erhebend ist, diese glu¨ckselige, beru¨hrende und energetische Musik zu spielen.
Dieser Enthusiasmus ist den Interpretationen von Wispelwey und Giacometti anzuhören. Sie musizieren farbig, klangschön und finden eine gute Balance. Spannend ist besonders der Vergleich von Brahms zwei Sonaten op. 99 im Original und op. 100 in der Transkription , die beide fast zeitgleich während
eines kreativen Sommeraufenthalts des Komponisten 1886 in Thun in den Schweizer Alpen entstanden sind. Die bearbeitete ursprüngliche Violinsonate steckt voller lyrischer Momente und ist von heiterem und inspirierendem Charakter. Die kantablen Phrasen und die Leichtigkeit der Melodien so mühelos klingen zu lassen, wie der Komponist es sich wohl vorgestellt hat, stellt eine Herausforderung für die Musiker dar. Bisweilen geht die Leichtigkeit in der Transkription auf das Cello leider etwas verloren.
Die originale Cellosonate op. 99 zeigt sich im Kontrast dazu von völlig gegensätzlichem Charakter. Sie strotzt vor Energie und Kraft und lebt von großen musikalischen Gesten und kompositorischer Dichte. Der Interpretation von Wispelwey und Giacometti hätte hier etwas mehr Schwung nicht geschadet.
Anna Catharina Nimczik