Sonata

Rubrik: Noten
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Beglückt stellen wir fest: Der Cello-Boom hält an! Nach wie vor erfreut sich dieses – sorry, liebe Rest-Streicher – vielseitigste Instrument seiner Familie großer Beliebtheit und Nachfrage. Und natürlich ist das Reservoire an Unterrichtsliteratur in den vergangenen Jahrzehnten mitgewachsen. Neukompositionen, Bearbeitungen und Anleihen aus ehedem klassikfernen Sparten wie Film-, Pop- und Rock-Musik lassen es in der Celloschülerwelt nicht langweilig werden.
Wie aber steht es um Originalwerke früherer Jahrhunderte? Bei aller Begeisterung für „Fluch der Karibik“ und Co sollte Celloschülern durchaus vermittelt werden, dass es sich um ein traditionsreiches Instrument handelt und Musik vergangener Zeiten nicht in Vergessenheit geraten darf. Nun kann aus nachvollziehbaren Gründen dieser Repertoirebereich nicht mehr mitwachsen, und insofern sind wir dankbar für jede Neuveröffentlichung bisher unbekannter oder wenig zugänglicher Werke. Ist der Bestand an Barocksonaten noch recht reichhaltig, so wird es in der Zeit der Vorklassik ziemlich „dünn“: die Sonate des Bückeburger Bach-Sohnes Johann Christoph Friedrich… War’s das schon?
Die vorliegende Ausgabe lenkt den Blick nach England. Stephen Paxton (1734-1787) wirkte als Cellist und Komponist in London, seit 1757 als Mitglied der Society of Musicians. Später gehörte er dem „Noblemen’s and Gentlemen’s Catch Club“ an und komponierte für diese Gesellschaft Kanons und mehrstimmige Lieder. Und natürlich widmete er sich seinem Instrument, etwa mit einer Folge von Easy Lessons sowie Sonatenzyklen wie den Six Easy Solos op. 3 (1778), denen die hier publizierte Sonate entnommen ist. Elegante, eingängige Melodik prägt ihre drei Sätze: ein zweiteiliges Allegro, das einen ausdrucksvollen Moll-Teil umschließt, ein Largo über die irische Volksmelodie „Gramachree“ und das abschließende, zweiteilige Menuett. Der untere Lagenbereich (1. bis 4. Lage) wird nicht überschritten, einige wenige Doppelgriffe und Akkorde sollten ebenfalls keine Stolpersteine darstellen.
Die Edition folgt dem Erstdruck, Herausgeber Rainer Mohrs hat nur wenige dynamische Ergänzungen vorgenommen. Seine Generalbassaussetzung enthält einige „florale“ Elemente in der rechten Hand des Klavierparts, die dem galanten Charakter des Werks völlig angemessen sind. Ein Punkt bleibt leider ungeklärt: Im 1. Satz finden sich einige Takte (etwa beim Wiedereintritt der Grundtonart C-Dur), in denen – nicht anders als in Mozarts frühen Violinsonaten – das melodieführende Klavier vom Streichinstrument begleitet wird: Was lesen wir an diesen Stellen? Paxtons originalen Klaviersatz oder Aussetzungen des Herausgebers?
Paxtons Sonate ist eine hübsche Petitesse von überschaubarem kompositorischen Niveau. Als gute Gründe, die für ihre Publikation sprechen, seien festgehalten: die Repertoireknappheit speziell in dieser Epoche und die gute Eignung des Werks für den Unterricht.
Gerhard Anders