Genzmer, Harald
Solokonzerte mit Orchester
Harald Genzmer gehört zu jenen Komponisten des 20. Jahrhunderts, die zwar viel gespielt werden, die aber kaum einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen. Seine spieltechnisch und idiomatisch maßgeschneiderten Werke erfreuen sich vor allem in der Ausbildung anhaltender Beliebtheit auf dem Programm eines Sinfoniekonzerts oder eines Klavier- bzw. Kammermusikabends wird man hingegen nur selten den Namen Genzmer finden (und dies selbst bei Raritäten-Festivals). Denn abseits der radikalen Ästhetik der einstigen Avantgarde blieb Harald Genzmer vor allem sich selbst stilistisch bis heute treu (am 9. Februar 2004 feierte er seinen 95. Geburtstag). Unverkennbar ist dabei die Bedeutung, die Paul Hindemith (als Lehrer an der Berliner Musikhochschule) für ihn hatte sowohl was das Denken über Musik als auch das rein Handwerkliche angeht. So knüpft Genzmer musikalisch (zur groben Orientierung) bei der in
der Mathis-Symphonie erreichten Ausdrucksebene an und führt diese für sich konsequent unter Betonung konzertanter und spielerischer Elemente fort: Musik soll vital, kunstvoll und verständlich sein. Als praktikabel möge sie den Interpreten für sich gewinnen, als erfaßbar sodann den Hörer. Das Prinzip Komponieren ist auch Dienst am Menschen.
Ein solches Credo musste den Jüngern des Serialismus verdächtig erscheinen, und so wurde Genzmer ein unzeitgemäßer Zeitgenosse, der trotz allem mit ungebremster Schaffensenergie Werk um Werk schuf bis hin zu einem Konzert für Trompete, Klavier und Orchester aus dem Jahre 1999.
Umso erfreulicher ist es, dass er selbst noch die neuerliche Wertschätzung seines Schaffens erleben darf dokumentiert in einer Reihe von CDs mit erstrangigen Einspielungen beim Label Thorofon. Dies belegt auch die jüngste Veröffentlichung mit drei Konzerten für Klavier (1948), Orgel (1970) und Schlagzeug (1978) jeweils mit Solisten, die schon über Jahre mit dem jeweiligen Werk vertraut sind. Durchweg sind es die Kraft der thematischen Erfindung, der gänzlich unsentimentale und damit alles andere als vordergründige Ausdruck, die kontrapunktisch ausgestaltete Textur und das kor-
respondierende Stimmengeflecht, die immer wieder neu (und auch nach mehrmaligem Hören) verblüffen. Wirklich virtuose Passagen um ihrer selbst willen sucht man im anspruchsvollen Klavierkonzert ebenso vergebens wie bloße Klangzaubereien im Schlagzeugkonzert, in dem der Solist vielmehr in die gesamte Partitur als primus inter pares eingebunden ist. Umso bedauerlicher ist es, dass aufnahmetechnisch der Solopart gegenüber dem
bestens disponierten Orchester zwar in bewährter Weise, jedoch den Werken nach durchaus unzulässig in den akustischen Vordergrund gerückt wurde.
Michael Kube