Gustave Vogt
Solo de Concert pour le Cor anglais
avec accompagnement à Grand Orchestre (Konzert für Englischhorn und großes Orchester), hg. von Michel Rosset, Klavierauszug
Konzerte für Englischhorn sind rar – wie überhaupt Konzerte für Holzblasinstrumente und Orchester seit Mitte des 19. Jahrhunderts nach der hohen Zeit im Barock eher selten sind. Aber auch hinter diesem Konzert steckt indes ein Fragezeichen.
Der Herausgeber Michel Rosset, Professor seines Zeichens und selbst lange Zeit aktiver Solo-Oboist und Englischhornist beim Sinfonieorchester St. Gallen, entdeckte zunächst die Notiz eines 1830 entstandenen Konzerts für Englischhorn und Orchester aus der Feder des damaligen Professors für Oboe am Pariser Conservatoire, Gustave Vogt (1781-1870), und zwar in der berühmten Biographie universelle des musiciens des französischen Musikhistorikers François-Joseph Fétis aus dem Jahre 1866. Von dem Konzert soll sich jedoch lediglich das Adagio erhalten haben, welches die Pariser Bibliothèque National aufbewahrt. Dieser langsame Satz ist aber identisch mit Vogts später entstandenem und auch öffentlich aufgeführtem 2. Oboenkonzert.
Rosset fand es daher durchaus plausibel, dass Vogt nun nicht nur das Adagio, sondern das gesamte Englischhornkonzert für Oboe übertragen hätte, was ja durchaus denkbar ist. Und so fand er es legitim, „eine vollständige Englischhorn-Version zu rekonstruieren, in dem er lediglich den ersten und letzten Satz des 2. Oboenkonzerts für die in der Tenorlage spielende Oboe zurücktransponieren musste.“ Die verschiedenen, ebenfalls in der Pariser Nationalbibliothek liegenden Manuskripte dienten somit zur Rekonstruktion, so Michel Rosset in dem dreisprachigen Vorwort. Das Stück hatte Vogt einst sicherlich auch für sich selbst geschrieben, es spiegelt gleichzeitig seinen Leistungsstand wider.
Die Originaltonart F-Dur ist bewusst gewählt, sodass das Englischhorn als transponierendes Instrument in F keine Vorzeichen in diesem nicht gerade leicht zu spielenden Konzert hat. Die Komposition hat ihre technischen Tücken und rhythmischen Raffinessen: Während der Kopfsatz des dreisätzigen, jedoch mit „attacca“-Hinweisen durchgehend zu spielenden Werks sich für den Solisten geschmeidig anfühlt und mit seinen geläufigen Sechzehnteln für frische Momente sorgt, ist der in fließendem Achtelmetrum bewegte Adagio-cantabile-Satz mit seinen teils verschränkten Zweiunddreißigstel- und Vierundsechzigstel-Noten mit integrierten Doppelschlagfiguren etwas für virtuose Feinschmecker. Teils sind diese wie ein Rezitativ oder eine kleinere Kadenz „ad libitum“ über Liegetönen gehalten, teils aber auch im Rhythmus des Klaviers eingebunden.
Das Finale ist ein für jene Zeit häufiger Satz im spanischen Bolero-Rhythmus – in D-Dur bzw. A-Dur für das Englischhorn – mit seinen typischen Triolierungen und einem ruhigen und schön kantablen Mittelteil in der Mollparallele mit anschließender Rückkehr zum marschmäßigen Bolero.
Das als Erstausgabe veröffentlichte Konzert wäre für den Konzertsaal eine willkommene Bereicherung.
Werner Bodendorff