Frieder Reininghaus

Solingen: Mit Charme und Schärfe

Edward Gregsons Saxofonkonzert mit Asya Fateyeva und den Bergischen Symphonikern

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 57

So ganz optimal eignet sich die Festhalle an der Ohligser Talstraße nicht als Konzertsaal. Dass der letzte Umbau gegen Ende des 20. Jahrhunderts innenarchitektonisch geglückt sei, lässt sich nicht einmal angesichts noch evidenterer Bausünden in der „Messerstadt“ behaupten. Manches Detail böte sich für eine der realistisch denunzierenden Bühneninstallationen von Anna Viebrock an. Trotz des etwas angegrauten Charmes der Lokalität hält das heimische Publikum seinen – 1995 aus der Fusion der Remscheider Symphoniker mit dem städtischen Orchester Solingen hervorgegangenen – Bergischen Symphonikern recht weitgehend die Treue und lässt sich beim 3. Philharmonischen Konzert begeistern.
Zum Warmspielen ist die delikate Klang­­lineatur der in mancherlei Hinsicht unkonventionellen Sinfonie Nr. 97 von Joseph Haydn eine ­Herausforderung. Insbesondere die Streicher meisterten sie auf überzeugende Weise. Nach den letzten kräftigen C-Dur-Akkorden und einer Atempause bahnte sich dann das an, worauf sich die Neugier richtete: Der Orchesterdiener brachte ein Sopransaxofon neben dem für die Solistin bereitgestellten Notenpult in Stellung. Ein instrumentaler Ruf aus der Ferne, der an Claude Debussys Syrinx anknüpft, eröffnet Edward Gregsons Saxofonkonzert. Asya Fateyeva trat im langen weißen Hemd aus dem Off. Sie arbeitete sich durch die schmale Gasse nach vorn, um die erst moderaten, dann ins Allegro agitato übergehenden Soli ihres Altsaxofons über den zunehmend scharf rhythmisierten Orchestersatz zu wölben.
Der 1945 in der nordostenglischen Hafenstadt Sunderland geborene Gregson wurde in den dortigen Blaskapellen der Heilsarmee musikalisch sozialisiert. Er profilierte sich als Komponist mit Arbeiten für Brass Bands. Inzwischen kann er auch auf eine lange Erfahrung mit konzertanten Werken für ein Soloinstrument und Orchester zurückblicken. Eine Concertante für Klavier und Brass-Band entstand 1966 am Ende seiner Studienzeit an der Royal Academy of Music, vier Jahre später ein Concerto for French Horn and Brass-Band. 1978 komponierte er ein Tubakonzert, im darauffolgenden Jahr eines für Posaune. 1983 war die Trompete an der Reihe, 1994 die Klarinette. Zur Jahrhundertwende steuerte Gregson ein Konzert für Violine bei und 2006 noch das Saxofonkonzert, das 2006 in Manchester uraufgeführt wurde und jetzt ins Düsseldorfer Umland gelangte.
Der Gastdirigent Philippe Bach, von Haus aus Hornist, nahm die aus der leicht oder auch heftiger angejazzten Blasmusiktradition herrührenden Impulse hellwach auf. Die Bergischen Symphoniker folgten ihm inspiriert und engagiert beim Auskosten eines Tonsatzes, der immer wieder die Ränder der Tonalität aufsucht, aber auch mit Härte und Schärfe nicht geizt. Häufige Taktwechsel sorgen für innere Lebendigkeit, Reprisen und dreiteilige Formen bieten sich konventionell klassisch hörenden Ohren an. Die vitale Turbulenz des Sounds wird durch gediegenen britischen Akademismus gebändigt und auf Genusstemperatur heruntergepegelt. Die von der Halbinsel Krim stammende Saxofonistin Asya Fateyeva kostete die spieltechnischen Offerten des Soloparts aus und trieb die spielfreudige Begeisterung des Schlussteils entschieden voran.
Auch mit der abschließenden episodischen Landschaftsmusik der wiederum in C-Dur stehenden dritten Symphonie von Jean Sibelius stellte das Orchester in Solingen seine Leistungsfähigkeit unter Beweis. Wer sich noch an Darbietungen der Vorgänger-Formationen in den 80er Jahren erinnern kann, wird dem Weg, der seitdem zurückgelegt wurde, hohen Respekt zollen.