Werke von Max Reger, Donald Francis Tovey, Adolf Busch und Walter Courvoisier

Soldanella

Julius Berger (Violoncello)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Wergo
erschienen in: das Orchester 11/2023 , Seite 71

Nach dem Suitenzyklus BWV 1007-1012 von Johann Sebastian Bach entstand, wenn man Übungsstücke unberücksichtigt lässt, fast 200 Jahre lang keine neue Musik für Violoncello solo. Im 20. Jahrhundert wurde die Idee wieder aufgegriffen – allerdings nicht erst 1915 von Max Reger bzw. Zoltán Kodály, wie bisher vielfach angenommen.
Julius Berger leistet mit seiner Sammlung von Werken für Cello solo, die zwei Jahrhunderte nach Bach „erblüht“ seien wie die Soldanella (das Alpenglöckchen) im Frühling, einen wertvollen Beitrag zur Erschließung unbekannten sowie vergessenen Repertoires.
Eröffnet wird das Album mit Max Regers Suite Nr. 2 op. 131c, laut Berger „Ausgangspunkt“ für das Projekt und Begleiterin seit Studienzeiten. Eine ihrer Besonderheiten liegt in der Verarbeitung des Chorals Wenn ich einmal soll scheiden, die – wie der Cellist im sehr informativen Booklet anhand von Notenbeispielen darlegt – in allen vier Sätzen nachweisbar ist. Sodann präsentiert Berger einen Satz aus der bereits 1910 entstandenen Sonate für Violoncello solo op. 30 von Donald Francis Tovey. In der 20 Minuten dauernden Passacaglia ändern sich Ausdruck und Tempo mehrmals, wobei sich der Interpret gerade in den langsameren Abschnitten viel Zeit nimmt, um jede Phrase in aller Ruhe auszuspielen. Besonders hervorzuheben ist seine gelungene Intonation in den teils äußerst herausfordernden Doppelgriffpassagen.
Eine zu Lebzeiten angesehene Persönlichkeit, deren Wirken später weitgehend in Vergessenheit geriet, war auch der Geiger und Komponist Adolf Busch. Aus Protest gegen das NS-Regime trat er 1933 zum letzten Mal in Deutschland auf und zog 1939 in die USA. Seine 1914 geschaffene und bislang nahezu unbekannte Suite op. 8a für Violoncello allein beginnt mit einem dreiteilig angelegten, getragenen Präludium. Auf das rhythmisch interessante Scherzo folgen eine über weite Strecken zweistimmig komponierte Romanze und eine fiebrig wirkende Tarantella. Ergänzt wird das Werk um Buschs Präludium und Fuge op. 8b von 1922.
Mit der Suite op. 32 Nr. 2 für Violoncello allein von Walter Courvoisier wird schließlich eine Komposition vorgestellt, die erst 2021 – also 100 Jahre nach ihrer Entstehung – veröffentlicht wurde und die Berger selbst im Oktober 2022 uraufgeführt hat. Auch ihre sieben Sätze bieten in musikalischer Hinsicht viel Abwechslung und wecken unterschiedlichste Emotionen.
Um sich bei den Aufnahmen in der Christkönigskirche Dillingen den um 1915 üblichen Aufführungspraktiken so weit wie möglich anzunähern, entschied sich Berger für Darmsaiten sowie eine Stimmung auf 432 Hz. In Verbindung mit dem natürlichen Hall des Kirchenraums ergibt sich hieraus ein warmes, vielschichtiges Klangbild, das authentische Nebengeräusche wie das Atmen des Musikers miteinschließt.
Julia Hartel