Antonín Dvořák
Slawische Rhapsodie g-Moll
Partitur/Harmoniestimmen/Stimmen
Ein interessantes wie bedeutendes Phänomen war in der europäischen Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts das Entstehen von nationalen Schulen. Gemeinsam mit seinem Landsmann Bedřich Smetana gilt insoweit Antonín Dvořák als Hauptvertreter einer tschechisch-nationalen Kunstmusik. Neben den bekannten Slawischen Tänzen stehen auch die Slawischen Rhapsodien für das folkloristische Element in seinem Schaffen ab den späten 1870er Jahren – gerne auch als Dvořáks „slawische Periode“ bezeichnet.
Die Slawischen Rhapsodien fallen in die ersten Jahre, nachdem der aus der böhmischen Provinz stammende Komponist den Sprung auf die große Weltbühne der Musik geschafft hatte. Von entscheidender Bedeutung hierfür war die Förderung durch Johannes Brahms, mit dem Dvořák zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb. Vom Talent des acht Jahre jüngeren Dvořák überzeugt, gab Brahms nicht nur entscheidende Impulse für die Gewährung eines staatlichen Stipendiums, sondern vermittelte auch wichtige Kontakte, die dem damals noch unbekannten Dvořák den Weg ebnen sollten. Hierzu gehörte auch die Empfehlung an den befreundeten Berliner Verleger Fritz Simrock: „Dvořák hat alles Mögliche geschrieben, Opern (böhmische), Sinfonien, Quartette, Klaviersachen. Jedenfalls ist er ein sehr talentvoller Mensch. Nebenbei arm! Und bitte ich, das zu bedenken!“, schrieb einst Brahms an Simrock.
Bei Simrock erschienen 1879 auch die drei Slawischen Rhapsodien op. 45. Es handelt sich hierbei um drei eigenständige Werke, die unter einer gemeinsamen Opuszahl zusammengefasst wurden. Beim Bärenreiter-Verlag werden die Rhapsodien nun als Einzelausgaben neu aufgelegt.
Die vorliegende Urtextausgabe widmet sich der zweiten Rhapsodie in g-Moll op. 45/2. Dabei erfüllt die Edition durch die Heranziehung einer breiten Basis an Quellen alle Kriterien einer wissenschaftlich-kritischen Ausgabe. Im Wesentlichen stützt sich der Herausgeber Robert Simon auf die vom Komponisten autorisierte Simrock-Erstausgabe als Hauptquelle und das Autograf als Nebenquelle. Bei problematischen Stellen wurden zusätzlich die Erstausgabe der Einzelstimmen sowie Autograf und Erstausgabe der Klavierbearbeitung konsultiert, wobei der Herausgeber sein Vorgehen im Kritischen Bericht transparent macht und vorgefundene Widersprüche dokumentiert. Im Vorwort, welches in drei Sprachen – Englisch, Tschechisch und Deutsch – enthalten ist, gibt Simon sowohl Einblicke in Werkgenese und Entstehungskontext als auch in die Rezeptionsgeschichte. Die Basis hierfür bildet die Auswertung weiterer Quellen wie Briefdokumente und zeitgenössische Rezensionen.
Abschließend zu erwähnen ist der übersichtliche und gelungen proportionierte Notensatz, der wie gewohnt die hohe Qualität der Bärenreiter-Editionen auszeichnet. Die Ausgabe ist als Partitur und in Einzelstimmen erhältlich, sodass auch unter aufführungspraktischen Aspekten keine Wünsche offen bleiben.
Bernd Wladika