Werke von Schostakowitsch, Afanassjew und Glière
Slavic Soul
Oberton String Octet
Romantiker wie Louis Spohr oder Joachim Raff und manche ihrer Zeitgenossen und Nachfahren hatten Freude daran, durch Verdoppelung der Besetzung Streichquartetten mehr Klangfülle und Farbigkeit zu verleihen – ein Nachhall der mehrchörigen Renaissance- Musik und bereichernd für die Gattung, dem nicht allzu viel Resonanz beschieden war.
Solchen Raritäten aber hat sich das Oberton String Octet verschrieben; sie sind ein gern genutzter Tummelplatz für die acht jungen Musiker, die hier nach Herzenslust in wechselnden Konstellationen ihre Künste vorführen können: Streichquartetten der Klassik und Romantik verleihen sie eine ungeahnte, fein abgestimmte Intensität und Wirkung. Als kleiner Streicherchor tragen sie geistliche Barockmusik vor. Für einen heißen Tango und die unterhaltsamen Genres sind sie ebenso zu haben wie sie der Folklore vieler Länder zu Leibe rücken oder bei den Abenteuern der Moderne dabei sind. 2015 auf Anhieb in seinem Heimatland Österreich Kult geworden, sorgt das spielfreudige Ensemble seither auch in der internationalen Musikszene für Furore. Und auf seiner neuen CD öffnet es sich ganz und gar der „Slawischen Seele“ – klangschön, herzerwärmend, entdeckungsreich…
Zwei Stücke für Streichoktett op. 11 hat Dmitrij Schostakowitsch in den Jahren 1924/25 komponiert – gleichzeitig mit seiner fulminanten 1. Sinfonie. Originell konzipiert und kontrastreich verwoben, präsentiert die Satzfolge Prelude – Scherzo den Geniestreich eines Neunzehnjährigen auf dem Weg zur Königsdisziplin des Streichquartetts, die er mit 15 bedeutenden Beiträgen bereichern wird.
Vier Jahrzehnte zuvor hatte sich Nikolai Afanassjew zu den historischen Wurzeln der Gattung eines „Streichquartetts mal zwei“ begeben. Doch sein 1875 veröffentlichtes Doppelquartett D-Dur blieb nicht nur den alten Vorbildern treu – der konzertierende Dialog zweier Gruppen fügt auch neue Elemente in die schwelgerische Klangwelt ein. Eine meisterhafte Instrumentation und der Rückgriff auf russische Volksweisen, raffinierte Echowirkungen und ein optimistisch beschwingter Grundton verbinden die vier Sätze zu einem einfallsreichen und eindrucksvollen Ganzen. Und auch das dritte Werk erweist sich als ein Gewinn fürs Repertoire: Reinhold Glière, der hochgeachtete Lehrer einer ganzen Generation russischer Musiker und ein bedeutender, heutzutage viel zu wenig beachteter Komponist, schrieb sein Streichoktett D-Dur op. 5 um 1900. Wiederum besticht die Musik durch die wunderbare Synthese von herrlicher Melodik und konzentrierter thematischer Arbeit sowie durch eine weiträumige, vielgestaltige Ausdruckswelt, die mit ihrem Elan und lebendigen Kontrasten, mit loderndem Temperament und zarter Melancholie fasziniert.
Und vor allem hier, in dieser blühenden Farbenpracht, kann das Oktett sein opulentes Ensemblespiel voll entfalten und mit bravourösen Soli glänzen. Ein Auftritt, dessen Exklusivität das attraktive Booklet und die hervorragende Einspielung im Super-Audio-Format noch unterstreichen.
Eberhard Kneipel