Graham Waterhouse

Skylla und Charybdis – Kammermusik

Katharina Sellheim (Klavier), David Frühwirth/Namiko Fuse (Violine) Konstantin Sellheim (Viola), Graham Waterhouse (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Farao Classics
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 91

Die Wahl haben zwischen Skylla und Charybdis: Diese Redewendung, so der britische Komponist und Cellist Graham Waterhouse (*1962), bezeichne recht genau den Zwang zu grundlegenden Entscheidungen, denen sich ein Komponist heute gegenüber sieht, wenn es um die Orientierung an ästhetischen Positionen, musikalischen Formen oder spezifischen Musizierweisen geht.

Waterhouse orientiert sich – zumindest musiksprachlich – in die Richtung, die landläufig und stark vereinfachend als „Tradition“ bezeichnet wird. Weil in den hier versammelten Beispielen mit klavierbegleiteter Streicherkammermusik die Auseinandersetzung mit tonalen Zentren dominiert, findet man als Hörer sofort in die Entfaltung des musikalischen Geschehens hinein, selbst wenn der Komponist in jeder Kompositionen einen ganz individuellen und oft nicht am überlieferten Formenkanon ausgerichteten Weg einschlägt.

Wie raffiniert das ist, zeigt etwa die Rhapsodie Macabre für Klavierquintett: Das aus fünf ineinander übergehenden Abschnitten bestehende Stück setzt auf gestische Momente, die aus der Musik der Vergangenheit bekannt sind, und ergänzt sie um Elemente voller historischer Anspielungen. So sind gelegentlich die Tonhöhenkonstellationen des Dies irae zurückhaltend eingewoben, und die erste Violine trumpft solistisch in fast theatraler Manier mit einem Totentanz unter Verwendung des Tritonus auf.

Ganz anders wirkt dagegen das Klaviertrio Bei Nacht op. 50, dessen Notturno-Atmosphäre Waterhouse aus zarten, einander umschlingenden Klangfäden schafft, um sie dann allmählich und dynamisch immer weiter anwachsend zu melodischen Linien zu formen. Im Klaviertrio Bells of Beyond wiederum dienen glockenartige Klavierkonstellationen als Ausgangspunkt, aus denen heraus sich leise, ruhig pulsierende Liegeklänge der Streicher entwickeln, um dann in verschiedene musikalische Situationen zu münden.

Dem titelgebenden Klavierquartett Skylla und Charybdis schließlich ist eine viersätzige Dramaturgie aus alternierenden langsamen und schnellen Sätzen eingeschrieben, deren gemeinsamer Nenner eine auf unterschiedliche Weise beleuchtete wellenförmige Auf- und Abwärtsbewegung ist. Die drastischen Kontraste dieser Musik – etwa scharf abgezirkelte Akkord-Unisoni, sanfte Erkundungen harmonischer Kontexte oder Momente voller rhythmischer Energie – sind mit großer Klangfantasie gestaltetet und auch interpretatorisch mitreißend umgesetzt.

Auch wenn die beiden einsätzigen Gelegenheitswerke Trilogy und Kolomyjka op. 3a wie überflüssige Füllsel wirken und den günstigen Eindruck der größer dimensionierten, musikalisch ambitionierteren Kompositionen ein wenig stören, ist die Produktion, unter Mitwirkung von Waterhouse am Cello entstanden, insgesamt sehr lohnenswert und zeichnet sich durch eine Fülle feiner musikalischer Details aus.

Stefan Drees