Weber, Carl Maria von
Six Sonates progressives
für Violine und Klavier WeV P.6, Heft 1, hg. von Claudia Theis, Spielpraktische Einrichtung: Volker Worlitzsch, Partitur und Stimme
Von den sehr zahlreichen Werken Carl Maria von Webers haben es nur wenige ins Repertoire geschafft. Zu den wenigen Interpreten, die sich für seine Konzert- und Kammermusik stark machen, gehört z.B. Isabelle Faust, die eine Aufnahme aller sechs Violinsonaten vorlegte. Diese trugen früher die Opuszahl 10 bzw. 11, erschienen in zwei Sammlungen, deren erste, drei Sonaten umfassende, das vorliegende, auf die Gesamtausgabe zurückgehende Heft bildet. Weber komponierte sie 1810 als Auftragswerk für den Musikverlag André, der sie als zu anspruchsvoll ablehnte. Dabei schwang vermutlich die Frage der Vermarktungschance dieser Stücke für ein gehobenes bürgerliches Laienmusizieren mit.
Die Sonaten sind kurz, ihre Spieldauer liegt bei je unter zehn Minuten. Die erste in F-Dur beginnt mit einem Allegro, in dem die Sonatenform sehr knapp ausgeführt wird. Die anschließende Romanze hat in der Bearbeitung Fritz Kreislers einigen Ruhm erlangt, im Orchesterarrangement David Garretts auch zweifelhaften. Im Gegensatz dazu sieht das Original die Verteilung der melodischen Abschnitte auf beide Instrumente vor, klanglich ausgedünnt. Ungewöhnlich sind die Verwendung der Moll-Subdominante im Themenkopf und die Ausweichung in die Mollparallele. Das Thema des abschließenden Rondos wird allein vom Tasteninstrument vorgetragen. Dieses ist ursprünglich als Cembalo benannt, realisiert wurden die Sätze zeitgenössisch sicher auf dem Hammerklavier.
In der G-Dur-Sonate wartet Weber mit folkloristischen Elementen auf. Der beginnende Carattere Espagnuolo beginnt irritierenderweise im Mazurka-Rhythmus, ehe sich dann ein Paso doble durchsetzt. Das Rondo-Finale ist eine Polka, sehr volkstümlich und einfach gehalten, auch mit der nötigen Derbheit. Dazwischen steht wie ein Fremdkörper ein dreistimmiges kontrapunktisches Adagio, bei dem die Violine ausschließlich begleitende Achtel auszuführen hat. Es wird anfänglich das Spiel auf der G-Saite empfohlen. Überhaupt sind die Artikulations-, Dynamik-, Stricharten- und Fingersatzbezeichnungen in der Violinstimme sehr nützlich, da im Autograf hierzu nur wenig Angaben zu finden sind.
Die dritte Sonate ist die avancierteste, sie ist nur zweisätzig. Einem Air russe in d-Moll, dessen Thema die ungleichmäßige Gliederung von 3+3+5 Takten aufweist, folgt ein keckes Presto in D-Dur, hier scheint am ehesten die Frühromantik auf. Zumeist bleibt Weber recht sparsam in den Mitteln, fast an Frühklassik erinnernd, in der dritten Sonate nutzt er romantische Harmonik.
Die drei Sonaten sind leicht bis mittelschwer, die letzte erfordert einige Fingerfertigkeit. Der Violinpart geht selten über die 1. Lage hinaus, jedoch sind die Anforderungen an die Bogentechnik nicht zu unterschätzen. Das Vorwort enthält einen Entstehungs- und einen Editionsbericht, liefert jedoch wenig zur Aufführungspraxis und der musikhistorischen Einordnung. Diese Sonaten sind für etwas fortgeschrittene Musikschüler gut spielbar, sie haben durchaus einen Unterhaltungswert.
Christian Kuntze-Krakau