Uwe Kraus

Sondershausen: Singspiel auf der Theaterwiese

Die Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 48

Dass Antonia Bauersfeld als Mini-Meteorologin spielfreudig und unaufgeregt die Szenerie auf der Theaterwiese vor der Rotunde des Sondershäuser Schlosses als Sonne oder mit Regenschirm bereichert, hat Symbolik für das diesjährige Sommer-Open-Air des Theaters Nordhausen. Im Schlosshof der Thüringischen Kreisstadt erlebt das Publikum das Musical Die 3 Musketiere und Mozarts Così fan tutte. Eher Unbekanntes offeriert der umtriebige Intendant Daniel Klajner gleich nebenan auf der Theaterwiese an der Rotunde: Franz Schuberts Singspiel in einem Aufzug Die Zwillingsbrüder als Familienstück in der sommersonnigen Ausstattung von Carolin Flucke.
Er gilt als Mann des Konzertsaals, weniger der Opernbühne: Franz Schubert. Sein zweites Stück Die Zwillingsbrüder wartete bis zum 14. Juni 1820 fast zwei Jahre auf seine Uraufführung am Kärntnertor-Theater in Wien. Ein bunter Strauß von Problemen trug dazu bei, dass das Interesse am Stück überschaubar blieb. Daniel Klajner bemüht sich nun mit seiner Chefdramaturgin Juliane Hirschmann, gewisse dramaturgische Unschärfen aus der Entstehungszeit zu beseitigen, und setzt optisch wie textlich auf Thüringer Lokalkolorit. Die Zwillingsbrüder changiert zwischen heiterem, von der französischen Opéra comique inspiriertem Singspiel, Kain & Abel-Zitaten und scheinbar biedermeiernder Posse, geprägt von Täuschung und Verwechslung.
Dank des Thüringer Opernstudios erlebt das Publikum frische, unverbrauchte Stimmen. Dazu spielt das Loh-Orchester Sondershausen geleitet von Chenglin Li. Das Orchester sieht man erst beim Schlussapplaus, musiziert es doch in der Rotunde und wird per Lautsprecher nach außen übertragen, wo die Solist:innen mit Mikroport ihre Arien singen und den Klang­körper dank ­ihrer Stimmkraft fast übertönen. Studienleiter Chenglin Li gelingt es, sowohl Spritzigkeit à la Rossini als auch warmherzige, recht feinsinnige Passagen ambitioniert von seinen Musiker:innen einzufordern.
In Schuberts Singspiel will sich Lieschen mit ihrem Anton verloben. Doch sie ist Franz Spieß versprochen, der auf der Suche nach seinem Zwillingsbruder Friedrich war und noch rechtzeitig auftaucht, um Verlobungstag und rotschleifige Liebesschaukel aus dem Takt zu bringen. Die nicht ganz schlüssige Geschichte lässt auch noch den Zwillingsbruder auftauchen, sodass sich letztlich das junge Glück und auch das Brüderpaar finden.
Daniel Nicholson singt wunderbar die invaliden Franz und Friedrich Spieß, mal C-, mal F-Dur, mit Tiefenschärfe, wandlungsfähig, leicht fließend einerseits, dann mit der stimmlichen Brutalität eines Landsknechts. Mit unangestrengt kraftvollem Tenor überzeugt Jasper Sung, der sein Lieschen in die Arme schließen, aber auch mal kräftig auftrumpfen darf. Sopranistin Julia Gromball, eher fraulich als mädchenhaft, wirkt stimmlich stets präsent, beweglich und voller Ausstrahlung im Spiel.