Mendelssohn Bartholdy, Felix

Sinfonische Kostbarkeiten / Konzerte für 2 Klaviere

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Querstand VKJK 0809
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 69

„Ganz abscheulich und unter jeder Würde, wie man’s gar nicht glauben kann“, empfand der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy Victor Hugos Drama “Ruy Blas”. Die schaurige Intrigengeschichte hatte es ihm trotzdem angetan: So komponierte er eine zwar recht äußerliche, aber durch und durch romantisch-bewegte Musik, deren direkte Dramatik den Zuhörer verzaubert. Der Erzgebirgischen Philharmonie Aue unter der zupackenden Leitung von Naoshi Takahashi gelingt dabei eine harmonisch durchsichtige und dennoch voluminöse Wiedergabe, deren herbe Klangsprache und kontrastreiche Themen einen bewegenden Charakter besitzen. Die Akustik der neuen CD ist durchaus weiträumig und ohne störende Halleffekte. Deswegen kommt der poetische Reiz des Werks auch wirkungsvoll zum Vorschein. Ein bizarr-fantastischer Stil setzt sich hier rasch durch und entfaltet düstere Leidenschaft, die sich immer weiter steigert. Berlioz zeigt hier seinen Einfluss. Und die c-Moll-Episoden der Blechbläser sind Sinnbilder für die gruselige Romantik des Hugo-Stoffes.
Die beiden in Halle (Saale) geborenen Pianisten Alexander und Christian Meinel (Träger des von Kurt Masur vergebenen Citibank-Studienpreises) gewinnen den beiden subtil interpretierten Konzerten As-Dur und E-Dur für zwei Klaviere und Orchester von Felix Mendelssohn Bartholdy eine brillante Virtuosität und spieltechnische Reife ab. Schwung und Elfenzauber vereinigen sich dabei zu einem farbigen Rankenwerk, dessen Formbeherrschung sich dem Hörer sofort einprägt. Romantische Gefühlstiefe kommt in den langsamen Sätzen Andante und Adagio zum Vorschein – auch Anklänge an Mozart sind versteckt herauszuhören. Insbesondere das dynamische Gleichgewicht bleibt stets gewahrt und prägt den improvisatorisch angelegten Klaviersatz. Es kommt zu einer intensiven und höchst lebendigen Konversation zwischen den beiden Klavieren und dem dezent musizierenden Orchester.
Gelegentlich noch zupackender und eindringlicher hätte man sich die abschließende Interpretation von Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 „Schottische Sinfonie“ gewünscht, deren balladesker Grundton von der Erzgebirgischen Philharmonie Aue unter der Leitung von Naoshi Takahashi trotzdem überzeugend getroffen wird. Die „Schottische“ zeugt von Mendelssohns Enttäuschungen und gedrückten Stimmungen. Auf einer Reise nach Schottland im Jahr 1829 empfing er die Eindrücke, aus denen sich die „Schottische Sinfonie“ formte. In der Wiedergabe mit der durchsichtig und durchaus konzentriert spielenden Erzgebirgischen Philharmonie Aue wirkt sogleich die Einleitung mit ihrer stimmungsvollen Energie wie eine schwermütige Erinnerung an die unglückliche Maria Stuart. Stimmungsverwandte lyrische Gedanken im Allegro un poco agitato arbeitet Naoshi Takahashi einfühlsam heraus. Ein warmer, weicher Wohllaut beherrscht das Adagio. Zuletzt behauptet sich das zweiteilige Finale Allegro vivacissimo markant und marschartig, wobei sich dessen energischer Schwung oft in elegische Lyrik verwandelt. Eine kriegerische Erinnerung im zweiten Teil wird von Naoshi Takahashi deutlich herausgestellt. So endet die Wiedergabe hymnisch und triumphal zugleich.
Alexander Walther