LaSalle, Rick

Sinfonietta classica “di Eisenstadt” ossia: Die Haydn-Arbeit

op. 4, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Rick LaSalle, www.ricklasalle.com 2011
erschienen in: das Orchester 10/2012 , Seite 66

Wieso darf eine Sinfonie nicht mal in D-Dur stehen? Das fragte sich der 1951 geborene Komponist Rick LaSalle vermutlich bei seiner 2011 vollendeten Sinfonietta classica, die nun als Partitur, herausgegeben im Eigenverlag, vorliegt. Der Titel mag dabei eine Anspielung auf die berühmte Klassische Sinfonie von Sergej Prokofjew sein. Dieser meinte bekanntlich, Joseph Haydn hätte im Entstehungsjahr 1917 ganz ähnlich komponiert.
LaSalle denkt heute offenbar ähnlich. Seine Werke vergessen einmal die kopflastige Neue Musik und verstehen sich als “unkomplizierte” Beiträge für den praktischen Gebrauch. Sein Œuvre ist mittlerweile bei Opus 76 angekommen und entsteht nach eigener Auskunft am Computer im heimischen Wohnzimmer in Grevenbroich. Das hat wenig mit der verbreiteten Sicht auf die hohe Kompositionskunst zu tun. Soll es auch nicht, denn LaSalle möchte offenbar beweisen: Es geht auch anders.
Der Spätzünder erhielt erst mit 13 Jahren Klavierunterricht, studierte dann einige Semester Schulmusik sowie Musikwissenschaft. Er kennt die Tradition, seine Sinfonietta classica op. 4 folgt in der Besetzung aus je zwei Flöten, Oboen, Fagotten, Hörnern und Trompeten sowie Streichern und Pauken klassischen Vorbildern. Lediglich das verwendete Schlagwerk fügt an einigen Stellen mit Hi-Hat, Tomtoms oder Handbells eine moderne Farbe hinzu. Ansonsten überwiegt ein Mix aus klassischer Periodik und gewitzten Akzentverlagerungen.
Der Titelzusatz “,di Eisenstadt‘ ossia: Die Haydn-Arbeit” deutet darauf hin, dass der Komponist auf den Spuren des mittleren Haydn wandelt, der am Eszterházy-Hof seinen damals innovativen Orchesterstil erprobte. Ob LaSalle neben einer Sinfonie des Wiener Klassikers bestehen kann? Das will er offenbar gar nicht, wählt er für die kurzen Sätze doch bescheiden die Verkleinerungsformen “Sonatina”, “Variazionetti”, “Scherzetto” und “Rondino”. LaSalle liebt simple Dreiklangs- oder Kettenthemen, die Form folgt dem Baukastenprinzip des 18. Jahrhunderts. Kleine Tempomodifikationen und ein Moll-Einschub bereichern den Kopfsatz, konzertant geführte Holzbläser die “Variazionetti” in G-Dur. Im “Scherzetto” erklingt ein von den Violoncelli angeführter “derber Walzer” als Trio; und im “Rondino” dürfen die Fagotte einmal munter plaudern.
Mit Werken wie diesem definiert LaSalle den Begriff Neoklassizismus völlig neu. Der Grevenbroicher beweist: Auch gut 200 Jahre nach dem Tod des Wiener Klassikers darf man Haydn nacheifern. Diese Sinfonietta classica ist ein Kuriosum, da auch der Komponist in keine Schublade passt. Prokofjews Fusion von klassischem Idiom und Moderne lässt diese Sinfonietta classica weit hinter sich. LaSalle mag es “unkompliziert”, minimalistisch und ironisch. Das sollte bei der Interpretation beachtet werden. Kammerorchester könnten Freude daran haben.
Matthias Corvin