Krzysztof Penderecki

Sinfonien

Studienpartituren, im Schuber

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 07-08/2019 , Seite 63

2008 hat der Schott-Verlag Krzysztof Penderecki zu dessen 75. Geburtstag ein feines Geschenk gemacht: die gedruckte Partitur der

  1. Sinfonie, die als work in progress zwischen 1988 und 1995 entstanden ist und erst in Luzern und später in München uraufgeführt wurde. 2018 ehrte Schott dann den Jubilar mit der Gesamtausgabe seiner Sinfonien: Sie stellt die Sinfonien 6 und 8 erstmals vor und lüftet auch das Geheimnis der Sechsten, die bis 2017 ein Phantom geblieben war und sich nun als die allerletzte präsentiert. Die acht stattlichen Bände dieser exklusiven Edition sind also auch eine Biografie in Noten, die den langen entdeckungs- und wendungsreichen Weg Pendereckis als Sinfoniker nachvollzieht und erlebbar macht.

45 Jahre hindurch haben große Aufträge zu Staatsjubiläen, zu Gedenktagen und für kulturelle Institutionen seine Kreativität befördert; umjubelte Uraufführungen in China und Korea, in New York, Paris und Jerusalem, in England und Luxemburg, in der Schweiz und in Deutschland haben sie gewürdigt. Groß war die Überraschung, als der Klang-Avantgardist 1972/73 mit der 1. Sinfonie zur Tradition konvertierte; ebenso groß war sie, als er sieben Jahre später nach dieser „Maschinenmusik“ mit seiner Zweiten, der Weihnachtssinfonie, völlig in die Sphären von Bruckner und Mahler eintauchte. Die folgenden drei Sinfonien (1988-95; 1989; 1991/92) assimilieren variantenreich postmoderne Stilmittel für ihre Ideen und Strukturen. Und am Ende zieht Penderecki noch das Wort heran: Seven Gates of Jerusalem (7. Sinfonie; 1997) ist ein grandioses Oratorium; die Achte eine Lied-Kantate und die Sechste eine Folge von acht Solo-Gesängen.

Doch solche Vielfalt besitzt auch ihre Konstanten: Einsätzigkeit mit Relikten der Sonatenform, expressive Adagio-Sätze und turbulente Scherzi, die Bass-Trompete als Klangsymbol, das reich besetzte Schlagzeug und immer wieder die Passacaglia. Wie sehr Penderecki bis zum Schluss seiner Sinfonie-­Serie die Perfektion der Gestaltung und die Klarheit der Aussage anstrebt, zeigen zudem die zwei Versionen der Sechsten und der Achten. In der 8. Sinfonie Lieder der Vergänglichkeit mit drei Solisten und Chor besingen deutsche Dichtung und romantische Töne voll inniger Schönheit und milder Melancholie den ewigen Kreislauf des Lebens und das Los des Vergehens. Und drei Strophen von Rilkes Ende des Herbstes durchziehen leitmotivisch das Werk, dessen Uraufführungen 2005 in Luxemburg und zwei Jahre darauf als erweiterte 15-teilige Fassung in Peking erfolgten.

Pastellfarbene Bilder der Nacht und der Fremde, von Verzweiflung und Trost malen die Chinesischen Lieder der 6. Sinfonie mit Bariton-Solo. Sie entstand als Auftragswerk der Dresdner Philharmonie und des Gungzhou Sinfonieorchesters, das sie im September 2017 uraufgeführt hat. Für die Dresdner Premiere im März 2018 hat Penderecki noch Erhu-Zwischenspiele eingefügt und mehrt so das fernöstliche Flair dieser überaus zarten, wehmütigen Töne, die seinen endgütigen Abschied von der Gattung bedeuten…

Eberhard Kneipel