Haydn, Joseph

Sinfonien Nr. 88/Nr. 89/Nr. 91

Rubrik: CDs
Verlag/Label: hrmk 026-05
erschienen in: das Orchester 11/2005 , Seite 91

Immer noch wird man von ehrfürchtigem Staunen erfasst, wenn man sich die Zahl der 106 Symphonien Joseph Haydns vergegenwärtigt; 106 Individuen ohne schematische Angleichung. Davor bewahrte sie Haydns Kompositionsgenie ebenso wie Unterschiede in Zweckbestimmung und Rezeptionsgeschichte. Also gibt es beliebte und wenig bekannte darunter, wenig gespielte wie die fünf zwischen den Zyklen der Pariser und der Londoner entstandenen.
Drei von ihnen liegen nun in Neuaufnahmen vor, die wir dem speziellen Haydn-Einsatz von Hugh Wolff und seinem hr-Sinfonieorchester verdanken. Dass sie „als Einzelwerke heute nur wenig Beachtung finden“, lässt sich freilich von der Nr. 88 G-Dur nicht sagen; sie ist zweifellos das meist gespielte unter den drei Werken: mit ihrem Kopfsatz mit dem einfachen, in aller Meisterschaft alles beherrschenden Hauptmotiv, mit dem Largo mit dem plötzlichen Einsatz von Blech und Pauken (gewissermaßen in Umkehrung zu der in der Klassik oft geübten Praxis, diese Instrumente im langsamen Satz schweigen zu lassen), mit dem von Wolff sehr straff angegangenen, durch sein höchst bemerkenswertes Dudelsack-Trio berühmten Menuett.
In der Nr. 89 F-Dur, wie die Schwester Nr. 88 1787 in Paris entstanden, hat Haydn zwei Sätze aus seinen fünf (ansonsten dem Vergessen anheimgefallenen) Lyra- oder Leier-Konzerten von 1785 verarbeitet: das quasi romantische Moll-Andante und den Finalsatz, dessen Zusatzbezeichnung strascinando von Wolff durch sich steigernde (nicht recht überzeugende) Akzentuierungen ausgelegt wird. Die ein Jahr später komponierte 91. Symphonie in Es-Dur ist ein zum Teil recht kunstvolles, „gelehrtes“ und folglich wenig populäres Werk mit einem reich modulierenden 1. Satz und einem Variations-Andante in einem für Haydn typischen „schreitenden“ Zeitmaß.
Hugh Wolff leitet zügig und klar, lediglich die Nr. 91 hätte noch prägnanter gelingen können. Haydns Witz, seine Vorliebe für musikalische, das Publikum düpierende Scherze kommen voll zur Geltung, nicht zuletzt dank des aufmerksam reagierenden Orchesters, dessen Klang nur ganz selten darauf aufmerksam macht, dass es auf alten (oder nachgebauten) Instrumenten spielt; eigentlich nur dann, wenn die Tutti-Kontraste (Hörner, Trompeten) zu heftig ausfallen.
Karl Robert Brachtel

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