Schubert, Franz

Sinfonien Nr. 7 & Nr. 8

Rubrik: CDs
Verlag/Label: www.wko-heilbronn.de
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 76

Die CD macht’s möglich: die zwei großen Sinfonien von Franz Schubert, die „Unvollendete“ h-Moll D 759 und die Sinfonie C-Dur D 944, auf einer silbernen Scheibe. In einer Liveaufnahme von der Schubertiade in der Harmonie Heilbronn vom 13. und 15. Juli 2012 präsentiert das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung von Ruben Gazarian die beiden Werke in glanzvoller und geschniegelter Aufnahmequalität. Beim lustvollen Hören ist man allerdings schon erstaunt, wie ruhig die Zuhörer waren – kein konzertatmosphärischer Huster oder Räusperer ist zu hören. Da fragt man sich: „Liveaufnahme“?
Trotz aller Ruhe beginnt das Orchester, genauer die Celli und Kontrabässe, etwas unrhythmisch. Anstatt dem im 3er-Takt pochenden Achtelimpuls vor Einsetzen des Oboen/Klarinetten-Themas klingen sie dualistisch, wie Triolen mit Betonung auf dem ersten Achtel. Die Wiederholung gelingt akkurater und metrisch zielgenauer. Sauber intonierend und hochkonzentriert gestaltet sich mit wenigen Temposchwankungen der weitere Verlauf der Sinfonie.
Gazarian legt viel Wert auf die Kontraste, polarisiert die gegensätzlichen Affekte. Deshalb wohl sind die Generalpausen fast doppelt so lang wie notiert, um nach langem Atemschöpfen das Thema wirkungsvoller mit dem musikalischen Dampfhammer zu zerlegen. Der langsame Satz kommt etwas zu rasch daher, wirkt durchgängig und infolgedessen mit gerade mal zehn Minuten etwas kurz geraten. Damit fegt Gazarian im Gleichschritt mit Neville Marriner. Zum Vergleich benötigten einst Karl Böhm, Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt elfeinhalb, Jonathan Nott genau zwölf, Herbert von Karajan gar zwölfeinhalb tief durchatmende Minuten. In vorliegender Aufnahme jedoch wirkt der Satz flachbrüstiger und frisch. An sich ist dies durchaus eine gelungene Aufnahme des h-Moll-Werks, wenn auch die Suche nach seiner inneren Rätselhaftigkeit vergebens bleibt.
In der drei Jahre später in Reinschrift geschriebenen Sinfonie sind die Tempi eher bedächtiger und ausgeglichen, wirken aber insgesamt überzeugender und in vielem überlegter. Der langsame Satz benötigt mit über fünfzehn Minuten viel Raum, nur Wilhelm Furtwängler brauchte noch eineinhalb Minuten länger. Das Scherzo gehört zu den beglückenden Momenten der Aufnahme, auch im unbeschwerten Trio atmet österreichische Ländlichkeit mit einem Heurigengeschmack auf der Zunge. Bei der Nicht-Berücksichtigung der Wiederholungen in den Ecksätzen folgt Gazarian früheren Interpretationen, rast aber nicht so wie Ferrari A. Toscanini. Also keine „himmlische Länge“, auf die der Autor des gut recherchierten Booklets, Matthias Denys, eingeht und einwendet, Robert Schumanns Bonmot sei „leider nicht immer ganz korrekt“ zitiert worden. Andererseits muss ihn die Länge von etwa einer Stunde – mit allen Wiederholungen – beeindruckt haben, wenn er sie mit dem dicken Roman in vier Bänden von Jean Paul vergleicht. Diese Aufnahme ist mit etwa 50 Minuten nun teuflisch kurz, macht aber möglich, dass beide Werke auf eine Scheibe passen.
Werner Bodendorff