Joseph Lauber

Sinfonien Nr. 4 und 5

Sinfonie Orchester Biel Solothurn, Ltg. Kaspar Zehnder

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Schweizer Fonogramm
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 66

Es ist die letzte der drei Studioaufnahmen des Schweizer Labels Fonogramm mit den Einspielungen sämtlicher Sinfonien von Joseph Lauber. Die nun erschienenen Sinfonien 4 und 5 sind als „Welt-Erst­einspielungen“ wieder durch den Tonmeister Frédéric Angleraux, dem Mitbegründer des Labels, aufnahmetechnisch verantwortet. Joseph Lauber war im Schweizer Musikleben eine Größe, vor allem als Kompositionsprofessor in Genf, wo Frank Martin zu seinem berühmtesten Schüler wurde. Auch als Dirigent nicht unerfolgreich, schrieb Lauber viele Werke, Lieder, Chorwerke, oft für Laien gedacht, Bühnenwerke, sechs Sinfonien, vier sinfonische Dichtungen und sieben Orchestersuiten sowie etliche Solokonzerte. Joseph Lauber fand einen eigenen Weg, der zwischen Spätromantik und französischem Idiom zu vermitteln scheint. So meint Martin Kaltnecker in seinem Book­let-Essay denn auch überspitzt: „Die beiden Werk bilden ein gutes Beispiel für Laubers Kunst, deutsch-romantische Tiefe mit französischer Eleganz in Schach zu halten.“ Kein Wunder, denn Lauber hatte seine Ausbildung in Zürich absolviert, bei Joseph Rheinberger in München und später in Paris u. a. bei Jules Massenet. Lauber, der in seiner Kammermusik auch Anregungen von Debussy aufgegriffen hatte, lehnte ansonsten zeitgenössische Strömungen ab.
Der Booklet-Text ordnet Laubers Sinfonien 4 und 5 in das Umfeld der zeitgenössischen Sinfonik ein: Lauber pflegt einen wohl eigenwilligen Stil, ließ sich von den ­modernen Strömungen kaum oder nicht anregen. Die Sinfonien ­bleiben im Rahmen klassischer Viersätzigkeit. Instrumentation und melodische Erfindungsgabe sind gekonnt augenfällig.
All das ist mit zweifachem Holzbläser-Satz plus Nebeninstrumenten nicht zu dicht instrumentiert, eher luftig. Man gerät beim Hören der Sinfonien aber kaum in einen Sog. Das mag vielleicht daran liegen, dass bei Joseph Lauber so viele ­– auch disparate – Ideen auf engem Raum erscheinen, die die große sinfonische Form in rhapsodische Einzelteile zersplittert.
Die Biel-Solothurner Orchester unter Kaspar Zehnder klingt, wie auch in den anderen Aufnahmen, frisch, spielfreudig und klar; mit einem Streicherapparat, der bei den Tutti-Stellen etwas unterrepräsentiert wirkt. Eines der Bilder im Book­let zeigt, wie die Aufnahme während der Corona-Pandemie entstanden ist (Einzelpulte und Masken). Auch unter diesen Umständen sind die Einspielungen gelungen. Ein bebildertes Booklet mit einem Artikel von Martin Kaltenecker, in dem auch Notizen zu der offenbar sehr audiophilen Mikrofonierung nicht zu kurz kommen, rundet die CD-Neuerscheinung, durch die man die Werke Laubers gut kennenlernen kann, ab.
Gernot Wojnarowicz