Bernd Alois Zimmermann

Sinfonien (live)

Emily Hindrichs (Sopran), Anna Radziejewska (Mezzosopran), Bettina Ranch (Alt), Peter Tantsits (Tenor), Hans Christoph Begemann (Bariton), Otto Katzameier (Bass), WDR Sinfonieorchester, Ltg. Emilio Pomàrico

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bastille Musique
erschienen in: das Orchester 02/2023 , Seite 69

Bernd Alois Zimmermann – 1918 in der Nähe von Köln auf die Welt gekommen – war einer der führenden Komponisten der 1950er bis 1970er Jahre in Deutschland, wenngleich mit weniger Breitenwirkung als der zehn Jahre jüngere und der gleichen Region entstammende Karlheinz Stockhausen. Noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs begann Zimmermann an der Kölner Musikhochschule ein Kompositionsstudium. Als Soldat während des Kriegs betrieb er Selbststudien, wobei er sich auch die Werke damals verfemter ausländischer oder emigrierter Komponisten wie Strawinsky und Schönberg erschloss. Nach 1945 empfing er bei den Darmstädter Ferienkursen Anregungen von den Lehrern Wolfgang Fortner und René Leibowitz, nicht zuletzt aber auch bei der Begegnung mit dem neu- oder wiederentdeckten Werk Anton Weberns. Betätigungsfeld für ihn wurden der Westdeutsche Rundfunk wie auch Aufträge für Film- und Bühnenmusik. Ab 1950 war er Lehrbeauftragter bzw. Professor für Komposition in Köln. Zimmermanns Weg als Komponist reichte von tonalen Anfängen bis hin zu einer neuen „pluralistischen“ Musik, in der in Zitaten und Collagen etwa auch Satire- und Jazz-Elemente Platz fanden. Die Uraufführung seiner vieraktigen Oper Die Soldaten in Köln 1965 fand international große Beachtung.
Eine im Jahre 2018 beim WDR in der Kölner Philharmonie mit dem WDR Sinfonieorchester unter Emilio Pomàrico produzierte Vokalsinfonie nimmt den größten Teil der vorliegenden CD ein. Nach laut klirrenden Beckenschlägen hören wir einen monotonen Marsch mit Schlägen auf großen Trommeln vor einem Gewirr von gleichsam zwitschernden Bläsern, unterbrochen von kurzen, heftigen Wirbeln. Indem sich das akustische Geschehen beruhigt, in leisen Melismen ausläuft, beginnt nach einem halbminütigen Zwischenspiel die Vokalsinfonie mit einem Dialog zwischen einem Tenor und einer Sopranistin in abenteuerlich gezackten, höchst expressiven Linien. Im Folgenden kommen eine Mezzosopran-Stimme, eine Altistin sowie auch ein Bariton und ein Bass ins Geschehen, das sich wie eine komplexe Opernszene ausnimmt. Die Einwürfe der Orchestermusiker:innen – vor allem Schlagwerk, aber auch Bläser und Streicher – sind knapp, halten aber das Geschehen zusammen und geben ihm eine schlüssige Form. Die Szenen lassen sich verfolgen anhand der im Booklet abgedruckten Texte.
Am Anfang der CD steht Zimmermanns Sinfonie in einem Satz von 1951. Auf einen massiven Ausbruch des Schlagwerks folgt eine ruhige, teilweise an die Grenzen des Hörbaren heruntergefahrene Passage, ein Muster das im weiteren Verlauf nicht gleich, doch ähnlich wiederkehrt. Hier kann man an Anton Webern, ja sogar an manche Aspekte der Musik Gustav Mahlers denken. Günter Buhles