Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 9/Sinfonie f-Moll

Bruckner Orchester Linz, Ltg. Markus Poschner

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Capriccio
erschienen in: das Orchester 10/2024 , Seite 71

Mit einer bei dem Label Capriccio veröffentlichten Doppel-CD geht die Reihe von sämtlichen Symphonien Anton Bruckners in allen verfügbaren Fassungen unter der musikalischen Leitung von Markus ­Poschner nun in die letzte Runde.
Seine 9. Symphonie hat Bruckner „dem lieben Gott gewidmet“. Er komponierte an ihr von 1887 bis zu seinem Tod im Jahre 1896. Der vierte Satz blieb unvollendet, da der Komponist über der Komposition für immer die Augen schloss. Bei der 9. Symphonie handelt es sich um ein echtes Meisterwerk, bei dem Bruckner noch einmal all sein großes Können in die Waagschale warf und mit einem ungemein imposanten Klanggemälde aufwartete, das stark unter die Haut geht. Ganz im Gegensatz dazu steht seine 1863 entstandene Studiensymphonie, in der Bruckners Können noch nicht zur vollen Reife gelangt war. Hier und da sind zwar durchaus schon Anklänge an den späteren Bruckner zu konstatieren, insgesamt ist diese Symphonie aber allzu sehr von den Einflüssen Schumanns und Mendelssohn Bartholdys geprägt.
Unter all den CD-Veröffentlichungen sämtlicher Symphonien und Fassungen Bruckners bei Capriccio stellt die hier vorliegende Aufnahme nicht nur das Finale, sondern ebenfalls den absoluten Höhepunkt dar. Insbesondere der 9. Symphonie zuzuhören, bereitet ungetrübte Freude. Was Dirigent Markus Poschner und das hervorragend disponierte und überaus klangschön aufspielende Bruckner Orchester Linz hier leisten, ist absolute Spitzenklasse. Schon der feierlich anmutende, langsame erste Satz atmet unter Poschners versierter Leitung große Intensität. Begeisterung erweckt der schnelle zweite Satz, das Scherzo, in seiner ungemein ansprechenden und präzise durchgehaltenen rhythmischen Prägnanz sowie seiner punktgenauen Ausgewogenheit. Alles wirkt hier wie aus einem Guss. So perfekt wie unter Poschner hat man diesen Satz noch nie gehört. Bravo! Und auch der vom Dirigenten mit enormer innerer Erfülltheit, großer Kraft und hoher Emotionalität ausgelotete dritte Satz, das Adagio, ist meisterhaft gestaltet. Bezeichnend ist, dass der dramatische Faden nie abreißt und Poschner die Spannung auch noch bei langsamen Passagen aufrechtzuerhalten versteht. Grandios sind zudem die in gewaltige orchestrale Höhepunkte mündenden Spannungsbögen.
Sehr gelungen ist auch Poschners Interpretation der Studiensymphonie. Hier wartet er ebenfalls mit großer Eleganz und großer klanglicher Finesse auf, wobei er die bereits erwähnten Einflüsse von Schumann und Mendelssohn geschickt herausstellt. Bei beiden Symphonien beeindruckt er zudem durch eine herrliche dynamische Ausgewogenheit der Tongebung und durch eine vorbildliche Transparenz. Insbesondere bei der hier vorliegenden Einspielung der 9. Symphonie haben wir es mit einem echten Meilenstein in der Aufnahmegeschichte des Werks zu tun.
Ludwig Steinbach