Beethoven, Ludwig van

Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Hörakademien zu den einzelnen Sätzen. Taschenphilharmonie, Ltg. Peter Stangel

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Edition Taschenphilharmonie ETP003
erschienen in: das Orchester 09/2016 , Seite 66

Vermittlung heißt das Zauberwort. „Musikvermittlung ist die not­wendige Reaktion auf das zurückgehende Interesse an klassischer Musik“, so die Lehrmeinung. Dem stehen ausverkaufte Konzertreihen gegenüber und ein wahrer Echo-Hype auch auf dem Klassik-Sektor. Andererseits ist die Generation der nach 1960 Geborenen weitgehend ohne den Kanon an Kenntnissen der klassischen humanistischen Künste groß geworden. Eine Traditionslinie ist zerrissen, und es lohnt sich, sie wieder aufzubauen. Und so hat ein Orchester, das auf sich hält, sein Education-Programm für die Kleinen parat und den verführerisch anderen Spielort, die schicke „Location“, für die Großen.
Folgt man der auf dem CD-Cover gegebenen Anregung und klickt sich auf die angebotene Website, wird man herzlich empfangen zur „Klassik-Degustation“. Die Taschenphilharmonie tischt für Menschen, „die an Klassik interessiert wären […], edle musikalische Tropfen klassischer Komponisten in klei­nen Por­tionen zum Probieren und Vergleichen auf. Sechs Komponisten in 60 Minuten mit fachkundiger und unterhaltsamer Begleitung unseres Chef-Sommeliers Peter Stangel.“ Da wird Kunst zum Entertainment und als anstrengungslos konsumierbar verkauft. Das ist die eine Seite von Vermittlung. Die andere Seite ist hier durchaus der Idee von Kunst und der Anstrengungen, die sie fordert, verbunden. Neues im Alten ist zu hören, und das ist Teil von Vermittlung.
Die Taschenphilharmonie, das „kleins­te Sinfonieorchester der Welt“, sieht sich in der Tradition von Arnold Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“, der großbesetzte Orchesterwerke mit kleinem Ensemble aufführte. Sie setzt das kammermusikalische Prinzip konsequent nicht nur in der solistischen Besetzung aller Stimmen um, sondern auch im intim-kam­mer­musikalischen Geist des Zusammenspiels, der auch diese Aufnahme von Beethovens Siebter durchzieht. Die Einhaltung von Beethovens Met­ronomvorschriften wie auch der Verzicht auf Wiederholungen bringen eine feuerköpfische Stringenz in die Musik. Im Übrigen erstaunt, wie viel orchestrale Fülle die kleine Streicherbesetzung doch besitzt.
Die vier der Symphonie angefügten „Hörakademien“ zu den einzelnen Sätzen sollte man natürlich tunlichst vor ihr hören. Sie bedienen sich traditionell konzertführerhaft der metaphorischen Musikbeschreibung. Da greift Peter Stangel zu ebenso triftigen wie naheliegenden Bildern wie dem „schäumenden Meer“ im Allegro con brio,
hat aber auch Geistreiches wie den „Flirt“ zwischen Violine und Flöte parat. Benennungen wie „so etwas wie eine Fuge“ bleiben technisch und zudem vage. Die Liveatmosphäre des „mit laufendem Orchester“ teilt sich auf der CD nicht zwingend mit.
Vermittlung ist nichts Neues. Lange bevor der Begriff als solcher existierte, hat Leonard Bernstein mit seinen „Young People’s Concerts“ mit den New Yorker Philharmonikern und seinem von ihm sogenannten „Dreh, die Musik lieben zu lernen“ Vorbilder geschaffen, an denen heutige „Vermittler“ sich orientieren müssen.
Günter Matysiak