Ludwig van Beethoven/ Michael Gotthard Fischer
Sinfonie Nr. 6 „Pastorale“
Arrangement für Streichsextett, revidierte Neuausgabe, Partitur und Stimmen
Komponisten mussten bis zur Erfindung von Schallplatte und Rundfunk ganz schön flexibel sein, um ihre Werke einem größeren Publikum bekannt zu machen. Selbstorganisierte (und finanziell verantwortete) Konzerte und von eigener Hand angefertigte Klavierauszüge waren die Mittel der Wahl, Arrangements für verschiedene Kammermusikbesetzungen vom vierhändigen Klavier bis hin zum Violin-Klavier-Duo oder Streichquartett waren zudem bestens geeignet, interessanten Nachschub für häusliche Musikabende sicherzustellen.
Natürlich wurde aber auch arrangiert, um wichtige Kompositionen in veränderter Besetzung an anderen Orten als ursprünglich vorgesehen aufführen zu können. So existieren Arrangements von zahlreichen Mozartopern für Harmoniemusik, die für Freiluftanlässe gedacht waren. Etwas anders verhält es sich bei der vorliegenden, von Michael Gotthard Fischer erstellten Bearbeitung von Beethovens „Pastorale“ für Streichsextett. Die Besetzung aus zwei Violinen, zwei Bratschen und zwei Celli war zur Zeit der Entstehung zwei Jahre nach der Uraufführung der Sechsten durchaus ungewöhnlich. Doch Fischers Wahl genau dieser sechs Instrumente überzeugt auf ganzer Linie und die Bearbeitung darf für sich den Rang eines eigenen Kunstwerks in Anspruch nehmen.
Beethovens „Pastorale“ ist über weite Strecken filigran und kammermusikalisch gedacht, da passt der durchsichtige Streicherklang vortrefflich. Ein halbes Dutzend Instrumente sind zudem in der Lage, eine gute dynamische Bandbreite abzubilden und ein dichtes Tongeflecht zu tragen. Ausreichend Stimmen sind außerdem vorhanden, um das eine oder andere Solo wie vor einem Orchesterhintergrund wirken zu lassen. Was die Fortissimo-Ausbrüche und das berühmte Gewitter betrifft, setzt Fischer – der 1773 nahe Erfurt geborene Enkelschüler von Johann Sebastian Bach – dagegen auf die Direktheit einer Kammermusikformation, die mit intensiven Tonrepetitionen in einem vergleichsweise kleinen Saal vielleicht eine ähnliche Vehemenz erzielen kann wie ein großes Orchester auf einer philharmonischen Bühne.
Liest man in der Partitur und den Stimmen dieser Fischer-Bearbeitung von 1810, gewinnt man den Eindruck eines eigenständigen, großformatigen Kammermusikwerks, das trotz der im Notentext vorhandenen Hinweise auf die ursprünglichen Bläsersoli ganz auf das Streicherensemble zugeschnitten ist. Michael Gotthard Fischers handwerklich und musikalisch exzellentes Arrangement kann sich sehen und hören lassen und stellt eine wunderbare Bereicherung der Literatur für Sextett dar – eine Besetzung, die in den vergangenen zweihundert Jahren viel zu selten gespielt wurde.
Daniel Knödler