Eberhard Klemmstein

Sinfonie Nr. 6/Elegie

Vogtland Philharmonie, Ltg. Dorian Keilhack

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Thorofon
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 73

Er schreibe „einen freitonalen expressionistischen Stil“ und habe einen „besonderen Sinn für die sogenannte ‚Absolute Musik‘“ – mit diesen blumigen Worten führt der anonyme Booklettext der vorliegenden CD in das Schaffen von Eberhard Klemmstein (*1941) ein. Klemmstein, von Haus aus Bratschist und Kammermusiker, hat das Komponieren erst 1985 für sich entdeckt und seither nicht nur fünf Opern, sondern auch eine ganze Reihe von Sinfonien geschrieben, deren 2015 entstandene sechste hier zu hören ist.
Das Werk wartet mit einer stolzen Aufführungsdauer von knapp 44 Minuten auf und wirkt auf mich wie aus der Zeit gefallen: Über weite Strecken hinweg dümpelt die Musik vor sich hin und ergeht sich in der Wiederholung jener verkappt romantischen Gesten, aus denen sich die wenig prägnanten Themen zusammensetzen. Was dabei vor allem negativ auffällt, ist die nicht besonders originelle, mithin sogar ziemlich unbeholfene und klobige Instrumentation: Da tragen beispielsweise die Streicher weitschwei- fige Themen vor oder schwelgen in Kantilenen, während die Holz- oder Blechbläser mit ihren charakteristischen Klangfarben nur ab und zu als Träger einzelner Episoden dienen oder gelegentlich als dialogisierende Stimmen herangezogen werden.
Der Tonsatz ist selbst dort, wo er sich in kontrapunktischen Übungen ergeht, eher simpel und arbeitet mit vielen Stimmenverdopplungen. Nur selten ragen, beispielsweise in dem an dritter Stelle stehenden Scherzo, etwas originellere Passagen aus dem musikalischen Einerlei heraus.
Was aber vor allem auffällt, ist Klemmsteins ironieloser Hang zur Aneinanderreihung abgenutzter musikalischer Topoi. Wenn er daher im Finalsatz als Mittel der Höhepunktsbildung auf emphatisches Auftrumpfen sowie auf das Pathos von fanfarenartig eingesetztem Blech und untermalenden Beckenschlägen zurückgreift, wirkt dies nicht nur befremdlich, sondern auch eskapistisch: als Griff zum ausdrucksgesättigten Vokabular ei-ner Zeit, in der eben alles besser gewesen ist.
Vergleichbares gilt für die ebenfalls eingespielte, 2017 komponierte Elegie für Streichorchester, die wie ein graues Einerlei ohne klangsinnliche Momente vorüberzieht. Zum Teil mag diese Wirkung aber auch dem Vortrag der Vogtland Philharmonie unter Dorian Keilhack geschuldet sein: Die im Booklet aufgestellte Behauptung, das Orchester habe mit dieser Produktion in Bezug auf Werk und Stil „völlig neues Terrain“ betreten
(und sei folglich – so zumindest suggeriert die Formulierung – in Klemmsteins Werken mit bislang nie zu meisternden Schwierigkeiten konfrontiert worden), lässt sich angesichts der klanglich wie spieltechnisch im späten 19. Jahrhundert verwurzelten Musik nicht aufrechterhalten. Von dem beschriebenen „bravourösen musikalischen Ergebnis“ ist die eher lustlos anmutende Wiedergabe, in dem der Orchesterklang kaum jemals so richtig zur Entfaltung kommt, denn auch weit entfernt.
Stefan Drees