Mahler, Gustav
Sinfonie Nr. 5 cis-Moll
Die Aufnahmestrategie der Württembergischen Philharmonie Reutlingen ist eigenwillig, doch sie scheint aufzugehen. Anders ist kaum erklärbar, dass die Schwaben beim Label ebs aus Bietigheim-Bissingen nicht nur mehrere Bruckner-Sinfonien, sondern auch Orchesterlieder von Mahler, dazu die vierte Mahler-Sinfonie und nun noch die populäre Fünfte eingespielt haben. Damit kann ein Klangkörper, der zwar viel auf Reisen geht, jedoch eher regional bedeutend ist, auf dem überfüllten CD-Markt kaum landen normalerweise. Doch vielleicht gibt es tatsächlich genügend Menschen, die sich aufgrund regionaler Verbundenheit lieber einen Mahler aus Reutlingen als aus Berlin, München oder Chicago ins CD-Regal stellen.
Ganz falsch liegen sie damit im Fall der fünften Sinfonie nicht: Die Württembergische Philharmonie hat unter ihrem Generalmusikdirektor Norichika Iimori eine solide Aufnahme vorgelegt, die im Orchester nur wenige technische Schwächen offenbart und durch einen insgesamt ausgewogenen Registerklang gefällt.
Iimoris Stärke ist zweifellos der lyrische Ausdruck, er lässt sein Orchester gerne in Traurigkeit baden und findet dabei zu großer Ruhe, ohne die Tempi zu überdehnen zum Beispiel beim zweiten Thema des zu Beginn wild bewegten zweiten Satzes. Das berühmte Adagietto nimmt er deutlich langsamer als etwa Michael Gielen, der diesem Satz konsequent die Betulichkeit austreibt, doch liegt Iimori damit im Vergleich zu der Mehrzahl der Einspielungen im Rahmen.
Prägnanz und klare Artikulation stehen auf der Prioritätenliste des japanischen Dirigenten offenbar nicht ganz oben. Der schwierige dritte Satz mit dem Hornsolo gerät recht behäbig, hier ist der Wechsel zwischen ländlerischer Scherzo-Atmosphäre und hereinbrechender Katastrophe nicht deutlich genug. Einfache Tempoverschärfungen reichen nicht aus, der Drive muss aus dem Innersten des Orchesters heraus kommen.
Leider fehlt es auch dem Klang mitunter an Brillanz, der wichtige Hornsatz etwa wird noch mehr zurückgedrängt als im Konzertsaal, wo die nach hinten gerichteten Schalltrichter ohnehin für einen leicht hintergründigen Klang sorgen. Die wolkige Akustik fällt immer dann besonders auf, wenn Mahler wie an etlichen Stellen des Trauermarsches die Gefühle ungezügelt nach vorne galoppieren lässt. Dann brodelt und zischt es, aber Melodien, Harmonien und Instrumentation sind bei der Württembergischen Philharmonie nur noch schwer auszumachen. Ähnliches gilt für die fugierten Streicher- und Holzbläserläufe im letzten Satz: Man hat sie im Konzert und auf CD schon zu oft so mulmig gehört, um darüber hinweg hören zu können.
Mag sein, dass der Vergleich mit den Ensembles aus Berlin, München und Chicago ungerecht ist mit dieser Aufnahme haben sich die auf ihrer Ebene sicher schätzenswerten Reutlinger jedoch freiwillig darauf eingelassen.
Johannes Killyen