Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“
Badische Staatskapelle, Ltg. Georg Fritzsch
Obwohl Anton Bruckners dritte Sinfonie sein von ihm am meisten umgearbeitetes Werk ist, steht ihr die 4. Sinfonie, von Bruckner selbst als die „Romantische“ betitelt, nur wenig nach: Die Urfassung der Vierten entstand 1874, eine zweite Fassung dann 1878, die Uraufführung folgte 1881, wobei Bruckner für die zweite Fassung von 1878 dafür auch noch 1880 ein neues Finale beisteuerte. Die heute am meisten gespielte Fassung der „Romantischen“ ist die zweite Fassung (1878) mit dem Finale von 1880, für die sich auch Karlsruhes Generalmusikdirektor Georg Fritzsch mit seiner Badischen Staatskapelle entschieden hat. Philologische Ambitionen, wie sie Jakub Hrůša am Pult der Bamberger beweist, der alle drei Fassungen nebeneinander auf CD (Accentus Music CC30533) gegenüberstellt, sind Fritzsch eher fremd.
Wie der als 3. Folge der Edition Badische Staatskapelle erschienene Konzertmitschnitt unterstreicht, hat das für seine Wagner- und Strauss-Tradition bekannte Orchester auch bei Bruckner ein Heimspiel: Wobei die Badische Staatskapelle zu der Vierten auch eine besondere Beziehung pflegt, fand die deutsche Uraufführung der Es-Dur-Sinfonie doch am 10. Dezember 1881 in Karlsruhe unter der Leitung des jungen, damals noch nicht berühmten Felix Mottl statt.
Vom einleitenden Hornruf (ein Sonderlob gilt dem Solohornisten) an präsentiert sich die Staatskapelle in sehr beachtlicher Form. Ob das stets prägnant artikulierende, klangsatte Blech, die auch solistisch bestens besetzten Holzbläser oder die klangschön musizierenden Streichergruppen: Das Orchester zeigt bei dieser Bruckner-Einspielung keine Schwächen. Zudem liefert die Aufnahmetechnik ebenso überzeugend ein gut aufgefächertes räumliches Klangbild mit einem breiten dynamischen Spektrum.
Georg Fritzsch dirigiert einen großräumig disponierten Bruckner mit klar angesteuerten Höhepunkten, der auf übertriebene Temporückungen verzichten kann. Er findet einen treffenden Ausgleich zwischen Tuttiwucht und vielen lyrisch ausgeleuchteten Inseln, wobei wie schon angesprochen die ersten Pulte der Staatskapelle sich im besten Licht präsentieren. Mit Ausnahme des sehr breit, aber nicht spannungsarm angegangenen Andante (mit einem wunderschönen Solo-Cello) sind die Tempi eher vorantreibend angelegt – dem „Jagd“-Scherzo verleiht Fritzsch zupackende Wucht.
Es ist ein Bruckner mit klaren Linien und markant gesetzten Höhepunkten, der übertriebene analytische Durchdringung ebenso wenig in den Vordergrund rückt wie er sich besonders detailverliebt präsentieren würde. Die Gesamtschau der Es-Dur-Sinfonie im Blick habend, gestaltet Fritzsch mit seinem Karlsruher Orchester einen spannungsvoll-zupackenden Bruckner ohne Weihrauch. Auf den angekündigten Mitschnitt der 6. Sinfonie Bruckners darf man gespannt sein.
Thomas Weiss