Sergej Rachmaninow
Sinfonie Nr. 3
Dortmunder Philharmoniker, Ltg. Gabriel Feltz
Nach der 1. Sinfonie von Sergej Rachmaninow nahmen die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Gabriel Feltz im Mai 2017 nun auch die ebenfalls sehr selten gespielte 3. Sinfonie a-Moll op. 44 des damals bereits gealterten Rachmaninow auf, die er 62-jährig erst 1935, etwa 30 Jahre nach seiner zweiten, begonnen hatte.
Dass er überhaupt noch eine Sinfonie schrieb, ist schon verwunderlich, wo er doch nach seiner Emigration im November 1917 in die USA beschlossen hatte, ausschließlich als Pianist tätig zu sein und dies auch erfolgreich war. So gestand er frustriert kurz vor der Niederschrift seiner letzten Sinfonie in einem Interview: Als ich aus Rußland wegfuhr, verlor ich den Wunsch zu komponieren. Indem ich die Heimat verlor, verlor ich mich selbst. Dennoch fing er nach längerer Pause wieder an zu komponieren, zunächst die populär gewordene “Rhapsodie über ein Thema von Paganini”, an die sich bald die Sinfonie anschloss. Vielleicht auch eine Eigenart manch russischer Komponisten, gerade nur drei Sinfonien komponieren zu wollen? Alexander Borodin, Nikolai Rimskij-Korsakow und Alexander Skrjabin sind hierfür prominente Beispiele.
Wie die Zweite ist diese Dritte sehr farbenreich instrumentiert und wie mit weichem Pinselstrich gemalt. Impressionistische Züge und recht deut-liche Anklänge an das Ballett “Daphnis et Chloé” von Maurice Ravel sind im Mittelteil des langsamen Satzes ebenso zu hören wie im Finalsatz weitere Anklänge und zahlreiche Selbstzitate Rachmaninows bis in seine Jugendzeit. In dieser scheinbar gedankenverlorenen Rück- und Rundschau, diesen kompositorischen Selbstbetrachtungen und Reflexionen glaubt der Hörer Atmosphärisches aus dem frühen Einakter “Francesca da Rimini” zu vernehmen. Außerdem zitiert Rachmaninow manches aus seiner zweiten Sinfonie, aus jener Rhapsodie, und nimmt bereits sogar einiges aus seinen später komponierten “Sinfonischen Tänzen” op. 45 vorweg.
Die Reihe der Aufnahmen der Dritten ist relativ übersichtlich, aber es gibt eine frühe, die der Komponist noch selbst mit dem Philadelphia Orchestra eingespielt hat, die bislang trotz Schellack-Rauschen und Monofonie als Referenzaufnahme galt. Auffällig sind auf den ersten Blick die Tempi, die Feltz wie bereits in der 1. Sinfonie eher gelassener, umsichtiger angeht. Kommt vorliegende Aufnahme auf eine gute Dreiviertelstunde, so dirigierte Rachmaninow doch eher kompakt mit rascheren Tempi, womit er auf knappe 36 Minuten kam. Allein der Kopfsatz mit dem Volkslied-Thema ist schon etwa fünf Minuten länger, wobei in der vorzüglichen Einspielung mit den Dortmundern die Musik endlich prächtig zum Atmen kommt.
Daran, wie detailverliebt und fein, akkurat, filigran und transparent Feltz die komplexe Struktur, die Erinnerungsthemen und vielschichtige Instrumentation mit den Soli herausarbeitet, hört man, wie sehr er Rach-maninows Musik liebt. Das Orchester setzt die Partitur mit beherzter wie intensiver Leidenschaft auf sehr hohem künstlerischem Niveau um.
Werner Bodendorff