Ludwig van Beethoven

Sinfonie Nr. 3

Einrichtung für Klavierquartett von Ferdinand Ries und einem anonymen Bearbeiter, hg. von Guido Johannes Joerg, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Dohr, Köln
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 67

Die erste Schallplattenaufnahme einer Sinfonie ist die von Beethovens fünfter durch Arthur Nikisch und die Berliner Philharmoniker 1913. Das war mehr als 100 Jahre nach der Entstehung des Werks. Die klingende Begegnung mit Beethovens Sinfonien war also ein gutes Jahrhundert nur durch den Konzertbesuch mit der Originalfassung oder das häusliche Spielen oder Hören von Bearbeitungen möglich. Klavier- oder Kammermusikfassungen der Sinfonien waren gang und gäbe in dieser Zeit. Liszt hat alle Neune für Klavier gesetzt, der Komponist selbst seine Zweite als Klaviertrio bearbeitet.
Der vorliegende Band bringt nun zwei Versionen der Dritten, der Eroica Es-Dur op. 55 für Klaviertrio. Die eine stammt von Ferdinand Ries, der wie Beethoven aus Bonn stammte und in der Entstehungszeit der Eroica dessen Schüler und Sekretär in Wien war.
Wer die andere verfasst hat, ist nicht klar; dass es auch Ries war, schließt der Herausgeber Guido Johannes Joerg in seinem ausführlichen und fundierten Vorwort aus. In der Tat, die beiden Versionen unterscheiden sich deutlich. Vor allem ist der Klavierpart in der Ries-Version spürbar bedeutender und anspruchsvoller. Vor allem aber – und dieses Faktum liest sich im Bericht des Herausgebers fast wie ein (musikologischer) Krimi – sind in Ries’ Fassung zunächst noch zwei Takte am Ende der Exposition des ersten Satzes erhalten, die Beethoven erst geschrieben, dann aber wieder getilgt hat. In der anonymen Fassung sind sie schon nicht mehr enthalten.
Dabei ist diese beim Wiener Kunst- und Industrie-Comptoir veröffentlichte Fassung, so der Herausgeber, eine der frühesten Notenausgaben der Sinfonie. Sie ist durchaus anerkennend aufgenommen worden. Die Fassung von Ferdinand Ries, im Umfeld Beethovens entstanden, ist dagegen lange nicht veröffentlicht worden. Erst 1858, 20 Jahre nach Ries’ Tod, kam es wohl dazu. Erst im Beethoven-Jahr 1870 kam es mit einer Neuauflage zu einer vermehrten Beachtung dieser Einrichtung der Sinfonie für vier Spieler.
Der Band ist in der Reihe Denkmäler Rheinischer Musik, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte, erschienen. Er sollte aber nicht nur ein rein musikwissenschaftliches Interesse befriedigen, sondern neben einem höchst spannenden Einblick in die Rezeption der Sinfonien Beethovens schon zu deren Entstehungszeit auch eine Anregung sein, in Kammerkonzerten die beiden Klavierquartett-Version der Eroica auch zu spielen. Längst gibt es ja erstklassige Formationen in dieser Besetzung, die trotz eines nicht geringen Bestands an Originalwerken hier die Chance hätten, eines der berühmtesten Werke der Klassik in ihrer Besetzung interpretieren zu können.
Karl Georg Berg