Mahler, Gustav
Sinfonie Nr. 2 Auferstehung
2 CDs
Auf eine so lange Mahler-Tradition wie das Amsterdamer Concertgebouworkest kann das hr-Sinfonieorchester zwar noch nicht zurückblicken, seit dem hochgelobten Einspielungszyklus unter Eliahu Inbal in den späten 1980er Jahren, bei Brilliant Classics (15 CDs 92005) heute wieder preisgünstig aufgelegt, hat sich das Rundfunkorchester aus Frankfurt aber immer wieder intensiv mit der Musik des Jubilars auseinandergesetzt, der vor 150 Jahren geboren wurde. Der aktuelle Chefdirigent Paavo Järvi präsentiert nun nach einer ansprechenden CD mit vier Einzelsätzen Mahlers (Virgin 5099921657627) wobei die ursprüngliche Sinfonische Dichtung Totenfeier nach einer Überarbeitung zum Kopfsatz der 2. Sinfonie Mahlers werden sollte einen Auftakt zu einem neuen Mahler-Zyklus des Orchesters mit der Auferstehungssinfonie. Mit der wohl populärsten Sinfonie Mahlers gelingen Järvi und seinem hochkonzentriert agierenden Orchester eine Mahler-Interpretation von Rang. Die in der Alten Oper Frankfurt aufgenommene 2. Sinfonie profitiert dabei auch von der sehr plastischen Aufnahmetechnik, die Mahlers Forderung nach Transparenz des Orchesterklangs auch in gewaltigen Fortissimoausbrüchen nachkommt.
Järvi ist ein Dirigent, der den genauen Partiturangaben des Werks auf musikalisch überzeugende Weise nachkommt. Dies bedeutet nicht, dass er ein unterkühlter Analytiker wäre, aber auch dank des bestens (die Blechbläser verdienen ein Sonderlob!) vorbereitet wirkenden Rundfunkorchesters entwickelt er das gewaltige Klangpanorama der c-Moll-Sinfonie detailreich und plastisch. Dabei lässt der estnische Dirigent sich durchaus Zeit, ohne zu schleppen oder sentimentalisierend zu wirken.
So wird beim Kopfsatz das Allegro maestoso ernst genommen und detailreich ausgesponnen, ohne in schöne Stellen oder vordergründigen Lärm zu zerfallen. Auffallend ist das Fehlen von überbordender Nervosität und gar Hysterie, die sonst bei Einspielungen des Werks häufig zu erleben sind. Dabei verzichten Järvi und sein Orchester nicht auf die Wucht, die die Musik auszeichnet, ohne das Grelle zu überzeichnen. Dass die Zweite eine Weltanschauungssinfonie ist, kommt bei Järvi zum Tragen, aber quasi in Anführungszeichen. Mit viel Übersicht steuert er auf das Finale zu, das mit fein dosiertem Pathos und viel Überzeugungskraft vorgetragen wird.
Auf dem Weg dahin hat schon die dynamisch sehr differenziert singende Mezzosopranistin Alice Coote im Urlicht mit entsprechender Piano-Zurücknahme überzeugt, der sich die Sopranistin Natalie Dessay im Auferstehungsfinale nach Klopstock auf ebenso hohem Niveau anschließt. Auch in den Weiten des Finales, bei dem auch der Chor Orféon Donostiarra seine Qualitäten eindrucksvoll unter Beweis stellen kann, kommt die Klasse des Orchesterspiels ebenso wie Järvis Gestaltungskraft und Übersicht eindrucksvoll zum Tragen. Auf weitere Mahler-Einspielungen des Frankfurter Orchesters und seines Chefdirigenten darf man gespannt sein.
Walter Schneckenburger