Molter, Johann Melchior

Sinfonie Nr. 130 D-Dur

hg. von Michael Schumacher, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2011
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 70

Michael Schumacher, Verfasser einer Dissertation über Johann Melchior Molter (1696-1765) und Herausgeber seiner sämtlichen erhaltenen Sinfonien, bezeichnet den Tonsetzer als den „wahrscheinlich produktivsten Sinfonie-Komponisten der Welt“. Im Hinblick auf Molters 169 nachweisbare Gattungsbeiträge, zu denen sicher noch einige Verluste gerechnet werden müssen, mag man da kaum widersprechen. Nachdem er seit 1721 für zwölf Jahre als Kapellmeister in Karlsruhe tätig gewesen war, engagierte man Molter dort 1743 erneut für dieses Amt, das er nun bis zu seinem Tod bekleidete. Während dieser Zeit entstanden die meisten seiner Werke, die aber unveröffentlicht geblieben sind und deren Manuskripte sich – wie auch das der vorliegenden Sinfonie – heute überwiegend in der Badischen Landesbibliothek befinden.
Beethoven’sche Ausmaße darf man von diesen Sinfonien natürlich noch nicht erwarten – nicht einmal mit dem Schaffen des mittleren oder gar späten Joseph Haydn lassen sich Molters Schöpfungen vergleichen: Auch dessen Sinfonie Nr. 130 erweist sich vielmehr als ein charakteristisches Beispiel der frühklassischen Form, wobei in den beiden Ecksätzen Bläser hinzutreten, während der mittlere und langsame traditionell allein den Streichern vorbehalten ist; der Zeit entsprechend wird hier noch nicht zwischen Violoncello- und Kontrabasspartien unterschieden. Im vorliegenden Werk treten je zwei Hörner und „Clarinen“ (also hohe Trompeten) sowie Pauken hinzu, die für ein festliches Klangbild sorgen – passend etwa für den Beginn einer Opernvorstellung oder als Auftakt zu einer ähnlich repräsentativen Veranstaltung. Das Instrumentarium wirkt sich auch auf die Komposition selbst aus, die vielfach durch Fanfarenmotive bestimmt wird.
Im knappen Kritischen Bericht geht Schumacher zunächst auf die Editionsrichtlinien der ganzen Reihe ein und widmet sich dann den Besonderheiten der Einzelquelle, die nicht datiert ist, aber aus den 1750er Jahren stammen könnte. Tempoangaben fehlen und dynamische Hinweise sind nur spärlich vorhanden. Doch dies lässt sich unter Berücksichtigung der damaligen Satztypen ziemlich verlässlich rekonstruieren, wobei Schumacher sich mit Ergänzungen sehr zurückhält und besonders die Ausgestaltung der Klangstärke weitgehend dem Interpreten überlässt; auf eigene Phrasierungsvorschläge verzichtet er sogar ganz.
So richtet sich das Notenmaterial vor allem an den Kenner historischer Aufführungspraxis, der sich die Stimmen noch vor dem Beginn der Probenarbeit im Detail einrichten muss. Abgesehen von den hohen Bläserpartien, die wohl nur von Profis einwandfrei realisiert werden können, eignet sich die Sinfonie durchaus für versierte Liebhaberorchester. Bisher sind die Partituren von 17 Sinfonien in zehn Lieferungen bei Dohr erschienen, wo man auch das Aufführungsmaterial erhält.
Georg Günther