Haydn, Joseph
Sinfonie in G
Hob. I:88, hg. von Andreas Friesenhagen, Urtext der Joseph-Haydn-Gesamtausgabe, Partitur
Der Bärenreiter-Verlag Kassel hat 2016 Joseph Haydns Sinfonie G-Dur Hob. I:88 als Einzeltitel herausgegeben, und zwar, wie Andreas Friesenhagen im Vorwort schreibt, als Nachdruck der Haydn-Gesamtausgabe, deren Edition seit Jahren in den Händen des Haydn-Instituts Köln liegt. Nachdem etliche späte Sinfonien, darunter auch die Londoner und einige der früheren Sinfonien wie Midi, Matin, Soir und La Reine, als praktische Ausgaben samt Stimmen erschienen sind, folgt nun die Sinfonie G-Dur Hob. I:88. Deren autografe Partitur ist zwar nicht erhalten, aber durch einen Stimmensatz, der unmittelbar auf dem Autograf beruht, konnte man gut die Intentionen des Komponisten nachvollziehen. In seinem Vorwort zeichnet der Herausgeber kurz die Provenienz der wesentlichen Quellen der Gesamtausgabe nach und geht auch auf erste Druckausgaben ein. Diese waren in Paris erschienen, wo der Konzertmeister der Hofkapelle in Esterháza, Johann Tost, einem Verleger (sicher ohne Haydns Erlaubnis) Partiturabschriften angeboten hatte.
Das gut 25-minütige Werk ist eine der interessantesten Sinfonien Haydns. Formal ist sie zwar konventionell viersätzig, mit einem langsamen Satz an zweiter und dem dreiteiligen Menuett-Trio-Menuett an dritter Stelle, aber die Architektur der Komposition, ihre Energie und die Themenfindung sind immens, was auch Brahms bemerkte.
An dieser Sinfonie lässt sich besonders gut der Übergang von einem vierstimmigen zu einem fünfstimmigen Streichersatz studieren. Während im ersten Satz Bass und Violoncello in einem System notiert sind und das Cello mit dem Hinweis Violoncello obligato versehen ist, sind die Streicher des zweiten Satzes in fünf Systemen geschrieben.
Zu dem Hinweis Violoncello solo bemerkt der Herausgeber: Die Neu-Edition von Haydns G-Dur-Sinfonie Hob. I:88 stellt einen lange missverstandenen aufführungspraktischen Aspekt klar. Im ersten Takt des zweiten Satzes (Largo) sind die Viola- und die Violoncello-Partie sowie einige Bläserstimmen mit einem ,Solo-Vermerk versehen, Hinweise darauf, dass diese Stimmen wichtige Motive oder Themen zu spielen und hervorzutreten haben. Der Vermerk im Violoncello ist nicht als Angabe für eine solistische Besetzung zu verstehen, wobei die übrigen Celli die Bässe zu verdoppeln hätten. [
] Vielmehr sollen die Celli chorisch spielen, um besser hervortreten zu können.
Bei der vorliegenden Bärenreiter-Edition ist nicht nur das Schriftbild gestochen scharf und gut lesbar, auch enthält die Partitur detaillierteste Hinweise zu Artikulation, was sicher auch für den Stimmensatz gilt. Wer Haydn-Sinfonien auf seine Konzertprogramme setzt, sollte diese Ausgabe nutzen.
Gernot Wojnarowicz