Joseph Haydn

Sinfonie in e-Moll Hob I:44 „Trauersinfonie“

Urtext, hg. von Andreas Friesen­hagen und Ulrich Wilker, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 7-8/2022 , Seite 63

Viele der über hundert Haydn-Sinfonien sind leider nicht eben oft zu hören. Von den Werken der mittleren Schaffensperiode steht die 1772 schon als viersätzige Sinfonie konzipierte Nr. 44 in e-Moll noch gelegentlich auf den Konzertprogrammen. Sie hat sich unter dem Namen „Trauersinfonie“ etabliert, obwohl der Titel weder auf Haydn zurückgeht, „noch lässt er einen inhaltlichen Zusammenhang mit der Komposition erkennen“, wie es im Vorwort der Herausgeber Andreas Friesenhagen und Ulrich Wilker zur vorliegenden Notenausgabe heißt. „Möglicherweise hängt er mit der Aufführung der Sinfonie bei einer Gedenkfeier für Haydn im September 1809 in Berlin zusammen“ – Haydn war am 31. Mai jenes Jahres verstorben.
Neben dem Streichquartett – Celli und Bässe spielen die gleiche Stimme – schrieb Haydn seine 44. Sinfonie für zwei Oboen und zwei hier in seinem Werk zum ersten Mal auftauchende, unterschiedlich gestimmte Hörner.
Wie schon bei den früheren Ausgaben dieser Reihe folgt die Urtext-Partitur als Nachdruck der Haydn-Gesamtausgabe. „Diese Edition basiert auf vier Stimmenabschriften, die vermutlich in Wien von professionellen Kopisten angefertigt wurden“, notieren die Herausgeber. Interessant ist es, einige der aktuellen Aufnahmen – auch solcher aus der Szene der historisch informierten Aufführungspraxis – mit dem vorliegenden Notentext zu vergleichen. In den Aufnahmen hört man in den Tutti-Passagen oft ein Cembalo. Demgegenüber meinen Friesenhagen und Wilker, das Cembalo oder ein anderes Tasteninstrument gehöre nicht zur Besetzung des Basso.
Ein weiterer Unterschied fällt auch auf: In den Noten stehen die Wiederholungszeichen nicht nur da, wo man sie erwarten würde, also etwa am Ende der Exposition im Kopfsatz oder im Tanzsatz; sie sind auch im jeweils zweiten Teil des ersten und des vierten Satzes zu sehen. Wie wäre die Architektur der Sinfonie, wenn man sie wie notiert aufführen würde – was in den erwähnten aktuellen Aufnahmen nicht der Fall ist? Diese Sätze wären um einiges länger.
Für Interpret:innen ist allemal praktisch, dass viele der Vortrags- und Artikulationszeichen, Ornamente, Noten, Pausen etc., die aus einer Minderheit der Quellen übernommen wurden, in runden Klammern, Ergänzungen der Herausgeber in eckigen Klammern stehen, wie im Vorwort erläutert ist. Für die Herkunft der Quellen wird auf den Kritischen Bericht der Gesamtausgabe verwiesen.
Das Druckbild der Partitur ist – wie immer bei dieser beim Bärenreiter-Verlag herausgegebenen Reihe – hervorragend lesbar. Die vorliegende Notenausgabe sei allen, die Haydns e-Moll-Sinfonie Nr. 44 aufführen wollen, wärmstens ans Herz gelegt. <
Gernot Wojnarowicz