Haydn, Joseph
Sinfonie in d
"Lamentazione" Hob. 1:26, hg. von Andreas Friesenhagen/ Christin Heitmann, Urtext der Joseph-Haydn-Gesamtausgabe, Partitur
Bereits die d-Moll-Tonart und der unruhige Rhythmus in Synkopenketten beweisen: Der Anfang aus Joseph Haydns Sinfonie Nr. 26 Lamentazione deutet sogar auf Mozarts d-Moll-Klavierkonzert. Mehr ins Gewicht fällt jedoch der sakrale Grundton, der auch andere Instrumentalwerke des Wiener Klassikers prägt wie etwa die spätere c-Moll-Sinfonie Nr. 78.
Herausgeber Andreas Friesenhagen von Kölner Haydn-Institut erklärt im Vorwort dieser Urtext- Einzelausgabe des Bärenreiter-Verlags, dass in den beiden ersten Sätzen dieser Sinfonie zwei Choralmelodien aus der Karfreitagsliturgie eingearbeitet sind. Die Nähe zum kirchlichen Umfeld ist also konkret greifbar, und offenbar handelt es sich bei dieser Sinfonie sogar um eine spätere Zusammenstellung einzelner, zunächst im Gottesdienst aufgeführter Instrumentalsätze. Für Orchester und Veranstalter mag dieses Werk daher die ideale Ergänzung eines Programms in der Fastenzeit sein, vielleicht sogar in Kombination mit Vokalmusik.
Tonal passt das Werk als Ouvertüre etwa zu Mozarts Requiem, das natürlich wesentlich umfangreicher besetzt ist. Instrumentiert ist die Sinfonie mit der für die Entstehungszeit der späten 1760er Jahre üblichen Kombination aus zwei Oboen, zwei Hörnern und Streichern. Die untere Bassstimme kann außer mit Violoncelli und Kontrabass auch noch mit
zusätzlichem Fagott verstärkt werden.
Ein mitzirpendes Cembalo ist aber in dieser wie bei den meisten anderen Haydn-Sinfonien nicht vorgesehen. Viele Interpreten hält das freilich nicht davon ab, das Tasteninstrument immer wieder einzusetzen. Die so genannte Alte-Musik-Szene ist nicht immer so historisch informiert wie sie gerne wäre. Auch in diesen Musikerkreisen haben sich falsche Traditionen eingeschlichen. Hier wären neben selbstkritischer Reflexion ein viel engerer Austausch mit Musikwissenschaftlern nötig und auch wünschenswert.
Haydns Sinfonie Nr. 26 Lamentazione verfügt über einen raschen und relativ knappen Allegro assai con spirito-Kopfsatz (in Sonatensatzform) mit Dur-Schluss. Das etwas längere Adagio F-Dur (auch hier wählt Haydn die Sonatensatzform) enthält ein Oboensolo (mit Unterstützung der zweiten Geigen) und eine filigran gearbeitete Gegenstimme der ersten Violinen. Der musikalische Charakter des Satzes ähnelt zudem den Sieben letzten Worten, dieses Adagio klingt fast wie eine Studie dazu. Ein Menuett bildet den Schluss, in frühen Sinfonien des 18. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Darin wird der Hauptteil in d-Moll von einem Trio in D-Dur abgelöst womit eine schöne Parallele zum Kopfsatz entsteht. So formt sich ein außergewöhnlicher Dreisätzer, der nicht zuletzt durch seinen ernsten und erhabenen Ton besticht.
Mit allen eingetragenen Wiederholungen dauert das Werk knapp zwanzig Minuten. Die publizierte Partitur entspricht dem Abdruck in der Haydn-Gesamtausgabe, in der sich auch ein Kritischer Bericht findet.
Matthias Corvin