Sinfonie des Lebens

Rubrik: Bücher
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In der Coda dieses Buchs, „Musik als Musik“, weist der Wissenschaftsjournalist Philip Ball auf die Diskrepanz hin, dass einerseits Musik das ist, was wir hören, in unserem Kopf entstehen lassen und erleben möchten – und dass wir andererseits einen großen Drang verspüren, darüber nachzudenken, was es mit der Musik und ihrer Bedeutung für uns auf sich hat. Für diese zweite Ebene, das Nachdenken über Musik, liegen hier vielfältige Anregungen vor. „Wie funktioniert Musik?“, „Musik verstehen – was heißt das?“, „Musik und Gefühl“, „Wo sind wir, wenn wir Musik hören?“, das sind typische Überschriften in dieser verbalen Sinfonie des Lebens. In 24 Artikeln wird man als Leser in jeweils spezifische Denkwelten hineingezogen und kann sich von diesen Perspektiven, Argumenten und Forschungsergebnissen anregen lassen. Mal wird man gedanklich diesem oder jenem Autor eher folgen, mal innerlich mehr auf Distanz gehen; aber den Impulsen und Anregungen wird man sich so oder so kaum entziehen können.
Das Buch ist der aktuelle Begleitband zum Funkkolleg Musik des Hessischen Rundfunks; alle Sendemanuskripte des Funkkollegs Sinfonie des Lebens werden 2012 veröffentlicht; sie können als Podcast (www.funkkolleg. de) jederzeit gehört und genutzt werden. Alle Beiträge des vorliegenden Bandes sind aus Büchern oder Zeitschriften übernommen worden; die besondere Qualität und Attraktivität liegt in der Auswahl und der Art der Zusammenstellung. Ein großer Teil der Artikel kommt aus aktuellen Publikationen; von speziellem Wert sind aber auch z.B. Hanslicks Erörterungen von vor gut 150 Jahren zu „Inhalt“ und „Form“ in der Musik oder die von Athanasius Kircher von vor dreieinhalb Jahrhunderten. Diese „alten“ Texte kommen hier sozusagen in eine Begegnung mit heutigen philosophischen Überlegungen z.B. von Konrad Paul Liessmann und Peter Sloterdijk oder mit aktuellen Artikeln aus dem Wissenschaftsmagazin Nature.
Der professionelle Hintergrund der Autoren ist ganz unterschiedlich: Es sind Repräsentanten der Naturwissenschaften, der Musikwissenschaft, der (Kognitions-)Psychologie, der Soziologie, der Neurowissenschaften; es sind ferner Philosophen, Komponisten, Schriftsteller und Journalisten sowie eine Musikpädagogin und Musiktherapeutin. Höchst unterschiedlich sind die Artikel auch in ihrer Länge von eineinhalb bis 36 Seiten wie erst recht, natürlich, in der Art ihrer Sprache und Verständlichkeit. Der Intention, die Leserinnen und Leser zum Nachdenken anzuregen, dienen auch die vielen, zwischen den Artikeln eingestreuten Aphorismen; eine besonders nette Idee sind die 17 kurzen Statements zu John Cages 4’33”.
Es ist kein Buch zum Lesen von vorn bis hinten, vielmehr eines zum Schmökern, zum gedanklichen Sich-Vertiefen da und dort. Und es mag als eine ergiebige Quelle genutzt werden für die Textarbeit in jeglichem Unterricht in Musik, sei es in der Schule, Musikschule, Volkshochschule oder Universität. Es ist eine nützliche Schatzkiste.
Franz Niermann