Daniel Friedrich Eduard Wilsing

Sinfonie D-Dur

für großes Orchester, musikkritische Erstausgabe, hg. von Guido Johannes Joerg, Partitur

Rubrik:
Verlag/Label: Dohr, Köln 2023
erschienen in: das Orchester 11/2023 , Seite 64

Die Wiederentdeckung unbekannter Meister und ihrer Werke bedeutet häufiger als vielleicht vermutet, interessante Details für die Musikgeschichte zu erschließen. Viele in Vergessenheit geratene Komponisten waren zu Lebzeiten einflussreiche Persönlichkeiten des damaligen Musik- und Kulturlebens und standen in engem Kontakt mit den heute anerkannten Großmeistern der Musikgeschichte. Zugleich sieht man sich als Musikwissenschaftler durchaus mit dem Vorwurf konfrontiert, unbedeutende und zu Recht vergessene Komponisten, welche als sogenannte „Kleinmeister“ eingeordnet wurden, „auszugraben“. Somit ist man neben der Erschließung der oft schwierigen Quellenlage implizit dazu aufgefordert, die eigenen Forschungsaktivitäten zu rechtfertigen. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass eine Publikation über einen unbekannten Meister naturgemäß in einem größeren Umfang z. B. der Vermittlung biografischer Fakten bedarf, als dies bei einem bekannten Komponisten der Fall ist.
Diese Hintergründe bringen auch bei einer wissenschaftlich-kritischen Edition einige Besonderheiten mit sich, wie sich an der vorliegenden Ausgabe der Sinfonie D-Dur des aus Hörde bei Dortmund stammenden Komponisten Daniel Friedrich Eduard Wilsing (1809–1893) zeigt. So beinhaltet der Band neben dem üblichen Kritischen Bericht ein umfangreiches, acht Seiten umfassendes Nachwort, welches sein Leben und Wirken ausführlich beleuchtet. Im gleichen Jahr wie Felix Mendelssohn Bartholdy geboren, wurde Wilsing weitaus älter. Wie der Herausgeber und Autor des Nachworts Guido Johannes Joerg ausführt, wurden Wilsings Werke von renommierten Musikverlagen publiziert und von Robert Schumann, welcher sich als Musikkritiker betätigte, lobend besprochen. Neben biografischem Wissen umfasst das Nachwort auch eine musikanalytische Besprechung der Sinfonie. Sämtliche Ausführungen werden durch einen umfassenden Anmerkungsapparat belegt, sodass eine durchgängige Nachprüfbarkeit der verwendeten Primär- und Sekundärquellen gegeben ist. Ähnliches gilt für den Kritischen Bericht, welcher eine ausführliche Beschreibung der Quelle – eine autografe Partiturhandschrift, welche sich im Robert-Schumann-Haus Zwickau befindet – beinhaltet und durch Abbildungen ergänzt wird. Erörtert werden zudem diverse Eintragungen von fremder Hand. Ebenso werden die Editionskriterien offengelegt, sodass die erforderliche Transparenz gewährleistet ist. Zu erwähnen ist schließlich der angenehm proportionierte Notensatz, der eine gute Lesbarkeit des Notentextes ermöglicht.
Zusammenfassend ist die vorliegende Publikation – zugleich die Erstausgabe von Wilsings einziger Sinfonie – ein gelungenes Beispiel für die Wiederentdeckung vergessener Werke und Meister.
Bernd Wladika