Iovino, Roberto / Ileana Mattion

Sinfonia gastronomica

Eine Reise durch 2500 Jahre Musik und Esskultur

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Reclam, Stuttgart 2015
erschienen in: das Orchester 05/2016 , Seite 66

„Der Mensch ist, was er isst“, hat der große Küchenphilosoph Jean Anthelme Brillat-Savarin einmal gesagt. Das gilt auch und insbesondere für Musiker, wie Roberto Iovino und Ileana Mattion in ihrem Buch Sinfonia gastronomica darstellen. Die Autoren belegen dies mit einer launigen „Reise durch 2500 Jahre Musik und Esskultur“ , die in der Antike beginnt. Schon die Griechen, so erfährt man, hätten ihre Gastmähler musikalisch untermalt, ganz zu schweigen von den Römern: Der Begriff „Gastmahl“ bedeutete auf Lateinisch „convivium“, was sich von „cum vivere“, „zusammen leben“, ableitete, und meinte das Zusammenleben der Menschen, das seit je bestimmt wird von kulinarischen wie geistigen Freuden – wozu auch die Musik zählt.
Nachdem im Mittelalter Esskultur neben dem Lebenserhalt vor allem als Medizin für den Körper galt und Musik als Medizin für den Geist, habe man es in der Renaissance verstanden, aufs Raffinierteste Musik- und
Tafelfreuden miteinander zu vereinen. Spektakuläre Hoffeste der Renaissance, etwa der Sforza und der D’Este, aber auch Philips von Burgund werden beschrieben, in denen Musik und Essen eine kunstvolle, kulinarisch-musikalische Einheit bildeten. Im Barockzeitalter seien oftmals Kapellmeister auch Haushofmeister gewesen, zuständig für Feste und Küche.
Die Verflechtungen von Musik und Esskultur sind schier unerschöpflich, wie Iovino und Mattion belegen. Zahlreiche Musiker waren ausgesprochene Gourmets, um nicht zu sagen Vielfraße. Die enormen Essgewohnheiten Bachs und Händels werden beispielhaft genannt. In der Oper habe das leibliche Wohl von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt. Aus gutem Grund hätten die Opernkomponisten in ihren Werken den Genüssen des Lebens gehuldigt, da sie auch in ihrem Leben das Zusammenspiel von Musik und Esskultur beglaubigt hätten. Verdis beeindruckende Trinkfestigkeit, Puccinis Leidenschaft nicht nur für Frauen, sondern auch für Bohnen wird genauestens beschrieben. Mascagni habe als Siebzigjähriger einer Ärztezeitung das Geheimnis seiner Gesundheit wie seines Komponierens bekannt: Er habe immer so gegessen und getrunken, wie es ihm gefallen habe.
Musik, Essen und Trinken gehören eben zusammen, so die Kernthese des Buchs, das dem geneigten Leser zum Schluss beispielhafte Menüs samt nachkochbarer Rezepturen offeriert. Gioacchino Rossini, trotz oder vielleicht gerade wegen seiner vielen Krankheiten legendärer Genießer und Koch, hat das letzte Wort: Er bezeichnet den Magen als den „Kapellmeister, der das große Orchester unserer Leidenschaften dirigiert“. „Essen und Lieben, Singen und Verdauen“ sind für ihn „die vier Akte jener komischen Oper, die Leben genannt wird und die wie der Schaum einer Champagnerflasche vergeht. Wer es dahinschwinden lässt, ohne es genossen zu haben, ist ein Erznarr.“
Dieter David Scholz