Wolfgang Amadeus Mozart

Sinfonia concertante KV 364/ Violin Concerto No. 5

Mikhail Pochekin (Violine), Ivan ­Pochekin (Viola), Stuttgarter ­Kammerorchester

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 73

Mitten im Herbst-Lockdown 2020, in den dunklen Monaten, als keine öffentlichen Konzerte mehr möglich waren, gab es doch wenigstens die Chance zu CD-Aufnahmen, die von vielen Musikern und Ensembles denn auch produktiv genutzt wurde. Zu diesen gehören auch die russischen Brüder Mikhail und Ivan Pochekin, die zusammen mit dem Stuttgarter Kammerorchester in der gründerzeitlichen Musikhalle in Ludwigsburg im ­Dezember 2020 ein Mozart-Projekt realisierten.
Die Aufnahme der Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 und des letzten Violinkonzerts A-Dur KV 219 von Wolfgang Amadeus Mozart füllt gewiss keine Lücken in der Diskografie, denn Einspielungen der beiden sozusagen ultimativen Werke Mozarts für die solistische Violine und ihre etwas tiefere (hier um einen halben Ton höher gestimmte) „Schwester“, die Bratsche, gibt es sehr viele.
Gleichwohl hat die neue CD ihre Berechtigung und ohne Frage ihren Wert. Sie setzt mit modernen Instrumenten die Einsichten einer historisch informierten Aufführungspraxis unideologisch, aber sehr effektiv ein. Das zeigt sich unter anderem in dem klaren und durchhörbaren Klang und der Reduktion des Vibrato im Orchester sowie den nicht zuletzt in den langsamen Sätzen fließenden Zeitmaßen.
Der Geiger Mikhail Pochekin spielt hochkultiviert, geradlinig und detailgenau. Er weiß sinnfällig und sehr genau zu phrasieren und zu artikulieren – und in jeder Phase seinen Part absolut uneitel und unprätentiös, dabei aber beredt im Ausdruck zu gestalten.
Pochekin benutzt für das A-Dur-Konzert Kadenzen des ­Pianisten und intimen Mozart-­Kennerns Robert Levin, der für sein Wissen um und sein Stilverständnis für Mozart berühmt ist.
Auch Ivan Pochekin bewährt sich als Bratschist von Format – und das solistische Zusammenspiel der beiden Brüder bei der Sinfonia concertante ist nicht nur, aber sicher auch aus langjähriger Verbundenheit getragen von einem ganz natürlichen Einverständnis im Zusammenspiel. Das Konzertieren und Dialogisieren der beiden Solisten ist in der Tat vorbildlich als Ausdruck der hohen Spielkunst – und es ist erquickend geistreich in seinem ausgeprägten Sinn für Mozarts wunderbare Komposition. Auch bei der Sinfonia concertante wird der Notentext überaus genau und überlegt zum Klingen gebracht. Überzeugend sind unter anderem die feinen und trefflichen Rubati an formalen Schnittstellen.
Das in Sachen Mozart schon seit Karl Münchingers Zeiten, damit im Grunde von Beginn an, für seine interpretatorische Kompetenz bekannte Stuttgarter Kammerorchester agiert bei dieser Aufnahme ohne Dirigenten, passt sich mithin ganz dem Vortragsstil der Solisten an – und das tut es klanglich sehr ausgefeilt und einfühlsam.
Es ist eine Mozart-Aufnahme, die beim Hören anregende Eindrücke vermittelt. Gewidmet ist sie der im Juni 2020 verstorbenen Mäzenin Barbara Dyckerhoff-Mack.
Karl Georg Berg